2024

Unterstützung für Bildungsangebot

Soroptimistinnen spenden 4400 Euro

Kassel – Wo bin ich eigentlich zuhause? Und was ist Heimat? Mit diesen Fragen beschäftigen sich immer mehr Kinder und junge Erwachsene – auch oder auch gerade wegen der politischen Diskussionen. Eine Hilfestellung bekommen sie durch das pädagogische Angebot des Sara- Nussbaum-Zentrums, das der SI Club Kassel-Elisabeth Selbert durch eine Spende über 4400 Euro möglich macht.

Mit der derzeitigen Ausstellung „displaced at home. ein ort, den man zuhause nennt“ über das jüdische Leben im 20. Jahrhundert in Kassel beschäftigt sich das Sara-Nussbaum-Zentrum genau mit dieser Thematik, die aktueller nicht sein kann.

„Mit unserer Spende wollen wir den jungen Menschen die Möglichkeit geben, sich zu informieren und ihre Meinung sowie ihr Wissen nicht durch Falschinformationen beeinflussen zu lassen“, so Susanne Knab, Präsidentin des Si-Clubs.

„Wir bieten den Schulen passend zur Ausstellung ein individuell auf die Altersstufe angepasstes Begleitprogramm an, welches wir mit den Lehrkräften vorab besprechen. Es besteht die Möglichkeit, dass wir zu einem Workshop in die Schulen kommen und danach gemeinsam die Ausstellung besuchen. Aber es ist auch möglich, sich im Nachgang eines Besuches mit den wichtigen Fragen auseinanderzusetzen: Wer bin ich? Was ist Heimat? Und welche Identität gehört zu mir?“, erläutert Elena Padva, die Leiterin des Sara-Nussbaum-Zentrums das Konzept.

Die Ausstellung ist zu sehen im Sara-Nussbaum-Zentrum, Ludwig-Mond-Straße 127: Donnerstags von 16 bis 19 Uhr, sonntags von 14 bis 17 Uhr.

Quellenangabe: Hessische Allgemeine (Kassel-Mitte) vom 08.10.2024, Seite 14
 

Unserer Clubschwester, Ilana Katz, wird das Bundesverdienstkreuz verliehen

Kassel – Ein Jahr ist es jetzt her, dass die Terror-Organisation Hamas Israel überfallen hat. Dabei wurden mehr als 1200 Menschen in Israel getötet und etwa 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Seitdem hat sich die Lage im Nahen Osten dramatisch verschärft – aber auch hierzulande hat sich die Situation weiter verändert.

Das Landeskriminalamt in Hessen verzeichnete im vergangenen Jahr ab dem 7. Oktober 143 antisemitische Straftaten – dabei handelte es sich nach Angaben einer Sprecherin bei einem Großteil um Hasspostings. Im gesamten vergangenen Jahr sind demnach 347 antisemitische Straftaten registriert worden – mehr als dreimal so viele wie im Jahr zuvor. 2022 waren es nach Angaben des Landeskriminalamts 107. Auch für das aktuelle Jahr liegen bereits Zahlen vor, allerdings seien die noch nicht valide, da es noch zu möglichen Nachmeldungen und weiteren Ermittlungen kommen könne. Bis Ende August liegt die Zahl bisher bei 92. Für das Polizeipräsidium Nordhessen seien elf Straftaten im Kontext registriert worden, davon sechs mit Tatort Kassel.

Über zunehmenden Antisemitismus in Kassel spricht auch Ilana Katz, die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, im Interview mit unserer Zeitung. Katz sagt, dass bereits der Anschlag auf die Synagoge von Halle im Jahr 2019 eine Zäsur gewesen sei. „Danach wurden die Sicherheitsmaßnahmen für alle jüdischen Einrichtungen deutlich verstärkt. Unsere Synagoge wurde umgebaut. Im ganzen Land erleben wir Schmierereien. Leute mit Davidstern wurden aus Geschäften geschmissen.“ Katz berichtet auch davon, dass Menschen in ihre Richtung spuckten.

Nach Angaben des Landeskriminalamtes unterliegen Jüdische Einrichtungen in Hessen einer ständigen Bewertung. Die Schutzmaßnahmen für Einrichtungen des jüdischen Lebens seien immer wieder erhöht worden und befänden sich derzeit auf einem dauerhaft hohen Niveau.

Ilana Katz hat noch Hoffnung, dass alles gut wird. Für ihre Verdienste bekommt die 62-Jährige in dieser Woche das Bundesverdienstkreuz verliehen.

Quelle: HNA 07.10.2024

Interview mit Ilana Katz

Selbert-Urenkelin will in den Bundestag

Flensburger SPD hat die aus Kassel stammende Johanna Selbert als Kandidatin nominiert

Kassel/Flensburg – Ob sich Robert Habeck nun warm anziehen muss? Bei der Bundestagswahl 2025 bekommt es der Minister und voraussichtliche grüne Kanzlerkandidat mit einer aus Kassel stammenden Sozialdemokratin namens Selbert zu tun. Johanna Selbert, Tochter der ehemaligen Kasseler Vize-Landrätin und Landeswohlfahrtsverbands-Direktorin Susanne Selbert sowie Urenkelin der Kasseler „Grundgesetz-Mutter“ Elisabeth Selbert, ist von der Flensburger SPD als Bundestagskandidatin nominiert worden. Die 33-jährige Sozialdemokratin wird also im kommenden Jahr mit Habeck um das Direktmandat im Wahlkreis Flensburg-Schleswig streiten, das der Bündnisgrüne bei der Wahl 2021 gewonnen hatte.

93 Prozent der Genossen im hohen Norden stimmten am Wochenende für die Kandidatur von Johanna Selbert im Wahlkreis 1. Zur Frage, welche Chancen sie sich gegen Habeck ausrechnet, sagt die gebürtige Kasselerin, die in Harleshausen aufwuchs und an der Herderschule ihr Abitur machte: „Man muss abwarten. Bei den Grünen auf Bundesebene sieht es derzeit ja nicht ganz so rosig aus. Ich kämpfe um das Direktmandat, aber auch um einen guten Listenplatz.“

Die Volljuristin und Soziologin arbeitet seit rund eineinhalb Jahren als Rechtsreferentin bei der Industrie- und Handelskammer Flensburg. Wegen der Anstellung ihres Lebensgefährten seien sie Anfang 2022 nach Flensburg gezogen. Erst im vergangenen Jahr sei sie parteipolitisch aktiv geworden, berichtet die 33-Jährige. Relativ schnell sei sie bereits Mitglied im SPD-Kreisvorstand geworden und dann von der Parteispitze gefragt worden, ob sie für den Bundestag kandidieren wolle. „Nach etwas Überlegung habe ich den mutigen Schritt gewagt. Jetzt bin ich ganz überrascht und zufrieden“, sagt Selbert nach dem deutlichen Votum für sie.

Und was hält ihre Mutter Susanne in Kassel von ihrer Kandidatur in Flensburg? „Die ist natürlich mächtig stolz und hat mich die ganze Zeit unterstützt“, sagt Johanna Selbert. Schon sehr früh sei sie als Kind durch ihre Mutter und durch ihre Oma Ruth Selbert, die in Kassel lange Zeit Stadtverordnete und Stadträtin gewesen war, mit der Politik und der SPD in Kontakt gekommen. Das politische Engagement ihrer Mutter, ihrer Oma und natürlich ihrer Uroma Elisabeth spiele für sie eine große Rolle, erklärt Selbert. „Das hat mir Mut gemacht und mir gezeigt, was alles möglich ist.“

Bei der Bundestagswahl 2021 war ihre Partei, die SPD, übrigens nur Dritter im Wahlkreis Flensburg-Schleswig. Robert Habeck holte das Direktmandat mit 28,1 Prozent der Erststimmen und 18,6 Prozent der Zweitstimmen für die Grünen. Auf ihn folgte der CDU-Kandidat. Die SPD-Herausforderin Franziska Brzrezicha, Selberts Vorgängerin, belegte nur Rang 3. Um das Direktmandat bei der Bundestagswahl am 28. September zu holen, muss die aus Kassel stammende Sozialdemokratin also in Flensburg einige Stimmen hinzugewinnen.

Johanna Selbert hat es gleich nach dem Abitur 2010 von Kassel weggezogen – zunächst zu einem einjährigen Auslandsaufenthalt in Lateinamerika und Australien. Anschließend studierte sie Soziologie und Rechtswissenschaften, erst an der Universität in Heidelberg und dann an der Uni in Leipzig. Alle paar Monate fahre sie nach Kassel, um ihre Mutter sowie andere Verwandte und Freunde zu sehen.

Am Wochenende werde aber ihre Mutter nach Flensburg kommen, um gemeinsam die Nominierung zu feiern. „Wir werden uns ein schönes Wochenende machen.“ Übrigens könnte Johanna Selbert bei der Wahl 2025 über das Direktmandat oder die SPD-Liste das schaffen, was ihrer berühmten Uroma einst verwehrt blieb: den Einzug in den Bundestag. archivFotos: jochen herzog/privat/nh


Quellenangabe: Hessische Allgemeine (Kassel-Mitte) vom 01.10.2024, Seite 2

Die Feierstunde

Er ist wieder einmal würdig gefeiert worden:

Der Club SI-Sisters-Soroptimist Kassel III Elisabeth Selbert hatte dafür gesorgt, dass auch der 128. Geburtstag seiner Namensgeberin und Kassels großer Ehrenbürgerin am Sonntag als schönes, anspruchsvolles Fest begangen wurde.

Als hochkarätige Festrednerin hatten die Soroptimistinnen Hessens ehemalige Justizministerin und Richterin am Bundesverfassungsgericht, Christine Hohmann-Dennhardt, gewonnen, eine Verbindung, die idealer nicht sein konnte.

Für Christine Hohmann-Dennhardt war es ein Leichtes, eine Brücke zwischen dem Geburtstag einer der Mütter des Grundgesetzes und dem 75. Jubiläum der bundesdeutschen Verfassung herzustellen, war es doch Selbert, die „weit vor ihrer Zeit“ das Postulat der Gleichberechtigung von Mann und Frau eingebracht hatte. Rund hundert Gäste im Ständesaal des LWV hörten aufmerksam zu.

Quellenangabe: Hessische Allgemeine (Kassel-Mitte) vom 26.09.2024, Seite 11

Verein Bengi bekommt 10 000 Euro

Unterstützung von den Soroptimistinnen

Kassel – Bengi – der Name steht für Bildung, Existenzgründung, Netzwerk, Gesundheit und Interkulturell. Diese Ziele unterstützen auch die Soroptimistinnen des Elisabeth-Selbert-Clubs. Jedes Jahr im Mai setzen sie mit einem Konzert ein Zeichen gegen die Opfer von Krieg, Terror und Gewalt. Und wollen damit jenen eine Stimme geben, die sich in der Region für benachteiligte Frauen einsetzen.

Der Erlös des diesjährigen Konzerts geht an den Verein Bengi, den 1992 gegründeten interkulturellen Lern- und Begegnungsort für Frauen an der Straße Die Freiheit. Hier bekommen vor allem Geflüchtete aus Kriegsgebieten berufliche, rechtliche und soziale Beratung und Unterstützung.

Damit diese Arbeit fortgesetzt werden kann, geht der Erlös des diesjährigen Konzerts – 9999,99 Euro, auf diese präzise Angabe legen die Spenderinnen Wert – an Bengi. Für die dringend erforderliche Kinderbetreuung und die Anschaffung von Spielzeug.  pom

Quellenangabe: Hessische Allgemeine (Kassel-Mitte) vom 18.07.2024, Seite 11

Selbert mit Schild

Am 75. Geburtstag des Grundgesetzes gab es auf dem Scheidemannplatz eine Würdigung von unbekannter Hand für die Kasseler Juristin und Politikerin Elisabeth Selbert, der der Gleichheitsartikel im Grundgesetz zu verdanken ist. Ein Schild, das jemand an der dortigen Selbert-Statue angebracht hatte, rief ihren epochalen Verfassungsbeitrag in Erinnerung: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“.  asz

Quellenangabe: Hessische Allgemeine (Kassel-Mitte) vom 25.05.2024, Seite 7
 

75 JAHRE GRUNDGESETZ

Die Mutter des Grundgesetzes

Juristin sorgte für die Gleichberechtigungs-Formel

Kassel – Ganz vorne im Grundgesetz steht es. Gleich nach dem, dass die Würde des Menschen unantastbar ist und dass das Grundgesetz jedem das Recht auf freie Persönlichkeitsentfaltung, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit garantiert. Da steht im Artikel 3, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind und in Absatz 2: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“.

Dieser Satz begleitet die in Kassel geborene Juristin Susanne Selbert (64) schon seit ihrer Jugendzeit. Denn ihre Großmutter Dr. Elisabeth Selbert war es, die in hartnäckigem Kampf dafür sorgte, dass dieser klare Satz 1949 unverwässert in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen wurde.

Susanne Selbert erlebte bei ihrer Großmutter am Brasselsberg regelmäßige sonntägliche Kaffeenachmittage mit vielfältigen Besuchern und weitreichenden und tiefgehenden politischen Diskussionen über Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik. „Als Kind war das für mich natürlich fürchterlich langweilig. Aber wenn man heranwächst und irgendwann mitdiskutiert, dann wird es selbstverständlich sehr spannend. Vor allem, als sie aus ihrem Juristinnenleben berichtet hat“, erinnert sich Susanne Selbert, die 26 Jahre alt und fertige Juristin war, als ihre Großmutter starb. Diese arbeitete noch mit 85 Jahren als Anwältin und Notarin.

Susanne Selbert hatte schon als Schülerin bei ihr im Büro mitgearbeitet und beispielsweise Akten sortiert. Was sie besonders prägte, waren Elisabeth Selberts Selbstständigkeit, Großherzigkeit und Toleranz, die Selbstverständlichkeit eines offenen Hauses, ihr Demokratieverständnis und soziales Engagement: „Das alles hat mich mein Leben lang intensiv begleitet“.

Die Juristin Elisabeth Selbert hatte schon 1946 in der Landesversammlung an der Erarbeitung der Landesverfassung für Hessen mitgewirkt. Danach war sie eine von nur vier Frauen, die im von 61 Männern dominierten Parlamentarischen Rat in monatelanger schwieriger Arbeit die Artikel des Grundgesetzes zusammenstellten.

Mit dem Grundgesetz kam Susanne Selbert in der Oberstufe in Kontakt, im Leistungskurs Gesellschaftslehre, wo in dem Zusammenhang auch ihre Großmutter erwähnt wurde. Als sie 17, 18 Jahre alt war, gewann das Grundgesetz an Bedeutung für sie und hat sie seitdem nicht mehr losgelassen, sagt Susanne Selbert.

In den vergangenen 20 Jahren wurden Gebäude und Straßen nach Elisabeth Selbert benannt. Richtig bekannt wurde sie erst gegen Ende ihres Lebens, mit der zweiten Frauenbewegung Anfang der 1980er Jahre: Ein Großplakat sorgte 1984 für Aufsehen, auf dem ein Foto der vier Frauen im Parlamentarischen Rat abgebildet war mit der ironisch-provokativen Überschrift „Die Väter des Grundgesetzes“.

1987 wurde Elisabeth Selbert dann auf einer Briefmarke der Dauerserie „Frauen der deutschen Geschichte“ verewigt.

Dass man Elisabeth Selbert nun wieder gedenkt, freut Susanne Selbert, denn ihre Großmutter hat den verfassungsrechtlichen Grundstein gelegt für alle Forderungen in Sachen Gleichberechtigung: „Doch es hat sehr lange gedauert, bis die rechtliche Gleichstellung auch in Gesetzen umgesetzt wurde. Das konnte man nicht allein den Männern überlassen. Und es gibt noch viel nachzuholen.“

Donnerstag, 23. Mai 2024, Hessische Allgemeine (Kassel-Mitte) / Kassel von Thomas Thiele

Mit der Kraft der Musik gegen Krieg, Terror und Gewalt

Du kannst etwas bewirken

75 JAHRE GRUNDGESETZ - Autor Ulrich Wickert über die Bedeutung politischen Handelns

Ulrich Wickert ist bekannt als Mister Tagesthemen und Autor von Sachbüchern und Krimis. In der nächsten Woche erscheint sein neues Buch. Aus Anlass des Grundgesetz-Jubiläums sprachen wir mit ihm über das Einmischen in Politik und Gesellschaft.

Das deutsche Grundgesetz wird 75 Jahre alt, Sie sind nur wenige Jahre älter. Können Sie sich daran erinnern, wie es damals am 23. Mai 1949 verabschiedet wurde?

Da war ich viel zu jung, da ging ich in die Volksschule, also die Grundschule wie man heute sagt. Ich glaube, das habe ich erst sehr viel später wahrgenommen, was das bedeutete, als es in der Oberstufe im Unterricht behandelt wurde.

Die Jugend heute wächst mit einem Gefühl großer Verunsicherung und Unzufriedenheit auf, wie die jüngste Jugendstudie gezeigt hat. Wie können Kinder und Jugendliche da für politisches Handeln und die Demokratie begeistert werden?

Das versuche ich mit meinem Buch „Wir haben die Macht“ (Erscheinungstag: Freitag, 24. Mai; Anm. der Redaktion). Da schildere ich ganz zu Beginn, was es bedeutet, politisch zu sein.

Nämlich?

Das bedeutet vor allem nicht nur, dass man Minister, Abgeordneter, Kanzlerin oder Kanzler wird, sondern das bedeutet, dass man sein eigenes Denken, sein eigenes Wollen umsetzt in Handeln. Das fängt schon in der Schule an. Schüler haben auch dort viele Möglichkeiten, aktiv zu werden. Ein Beispiel: Ich höre es auch häufig von meinen eigenen Kindern, dass das Essen in der Schule schrecklich ist. Schülerinnen und Schüler könnten einfach mal für besseres Essen demonstrieren. Das ist politisch handeln. Politisches Handeln bedeutet, dass man eine Veränderung, eine Verbesserung des Zustandes, in dem man lebt, herbeiführen will. Und das ist das Wichtige, dass man jungen Leuten, und zwar sehr jungen Leuten, schon klar machen kann: Du kannst etwas bewirken.

Sie wollen mit dem Buch also vor allem Mut machen, sich Gehör zu verschaffen?

Ja, das Buch heißt ja auch Handbuch für Einmischen in Politik und Gesellschaft. Weil Politik natürlich ein Element ist, in dem die Gesellschaft verändert wird. Also: Einmischen! Und wenn man Sorgen für die Zukunft hat, dann muss man schauen, was kann ich tun, wie kann ich handeln, damit es für mich besser wird.

Wie funktioniert das in der Politik selbst, werden junge Menschen da mitgenommen?

Es gibt in allen Ländern Schülerräte, das ist schon mal ganz wichtig. Und parallel zur Europawahl werden in einigen Bundesländern auch Kommunalwahlen stattfinden, und auch da können Jugendliche ab 16 Jahren mit abstimmen. Das finde ich etwas sehr Gutes. Ich weiß nicht, wie groß die Beteiligung sein wird. Aber das Wichtige ist, dass man den jungen Leuten klar macht, ihr könnt mit abstimmen, ihr müsst euch bei den Parteien informieren und schauen, wo werden Dinge angeboten und vertreten, die euch wichtig sind. Das ist auch ein Element, junge Menschen an die Politik heranzuführen.

Es gibt Kritiker, die sagen, Jugendliche in diesem Alter seien noch gar nicht reif genug, diese Verantwortung zu tragen. Was entgegnen Sie ihnen?

Dann würde ich sagen, es ist unsere Aufgabe, sie reif zu machen.

Sie selbst schildern in der Einleitung Ihres neuen Buches, dass es für Sie immer ein Bedürfnis war, sich politisch zu engagieren und einzumischen. Sie sind dann aber Journalist geworden, warum?

Ich muss sagen, eigentlich aus Zufall. Ich habe Jura studiert, weil ich Diplomat wie mein Vater werden wollte. Dann hatte ich das große Glück, ein Stipendium nach Amerika zu bekommen und dort habe ich gelernt, was Freiheit bedeuten könnte. Ich war mir dann sicher, ich möchte alles, nur nicht Beamter werden. Was ich werden wollte, wusste ich zwar danach auch nicht und ich habe mein juristisches Examen gemacht, allerdings nur das erste, aber dann musste ich Geld verdienen. Über Beziehungen habe ich erste Features für den Hessischen und den Westdeutschen Rundfunk geschrieben und bin zufällig zum Redaktionsleiter von Monitor gelangt. So bin ich Journalist geworden und habe vor allem das gemacht, worauf ich Lust hatte.

In Artikel 5 des Grundgesetzes ist das Recht auf freie Meinungsäußerung verankert. Wie schätzen Sie dies mit Blick auf die Pressefreiheit in Deutschland ein?

Ich habe das Gefühl, dass Pressefreiheit und Meinungsfreiheit in Deutschland absolut vorhanden sind. Jeder kann sagen, was er will, jeder kann drucken, was er will, es sei denn, es verstößt gegen Gesetze. Und das ist auch richtig so. Denn diese Gesetze sind keine autoritären Gesetze, die von irgendwelchen Machthabern eingeführt worden sind, sondern das sind Gesetze, die von unseren Parlamenten beschlossen wurden. Wenn Leute sich beschweren, sie könnten nicht alles sagen, dann muss man den Mut haben, diesen Menschen klarzumachen, dass sie vielleicht eine Mindermeinung vertreten, aber sagen können sie alles.

Seit Jahresbeginn sind zahlreiche Menschen mit den unterschiedlichsten Ansinnen auf die Straße gegangen – darunter sind oft Mindermeinungen. Ist das ein gutes Zeichen für die Demokratie?

Ja, ich finde, das ist ein gutes Zeichen: Dass der einzelne Bürger aktiv wird und etwas tut. Dass er nicht hinnimmt. Und es gibt einen ganz wichtigen Satz, der stammt unter anderem aus einem Lied von den Ärzten: Du bist nicht zuständig für den Zustand der Gesellschaft, aber du bist verantwortlich, wenn der Zustand so bleibt. Und genau das ist es.

Wie groß ist, auch bei solchen Demonstrationen, die Gefahr von rechts?

Die Gefahr von rechts, aber auch von links, ist dann besonders groß, wenn Gewalt droht. Und leider gibt es ganz besonders auf der rechten, aber auch auf der linken Seite, gewaltbereite Menschen. Wir sehen den absurden Prozess gegen die Reichsbürger, die tatsächlich bewaffnet waren und den Bundestag stürmen wollten. Da stelle ich mir manchmal die Frage, wie kommen die Leute auf solche Gedanken? Sie müssen doch sehen, dass das gar nicht zu einer Veränderung des Systems führt.
Insofern ist es ein Problem, dass wir vielleicht die jungen Leute nicht genug zur Politik erziehen und auch zu dem, was es heißt, frei zu sein; was es heißt, Gerechtigkeit haben zu wollen, tolerant zu sein und einfach sich auseinanderzusetzen mit einem System, von dem ich sage, ich kann es verändern, aber nur über demokratische Wege. Da sehe ich ein großes Problem.

Internationale Beziehungen sind auf allen Ebenen wichtig, und zahlreiche Programme stärken den Austausch bereits in den Schulen. Wie beurteilen Sie als ausgewiesener Frankreichkenner die jüngsten Entwicklungen in der deutsch-französischen Beziehung?

Die deutsch-französischen Beziehungen bestehen nicht nur aus einem Kanzler und einem französischen Präsidenten. Sondern wenn wir uns die letzten 70 Jahre anschauen, stellen wir fest, es hat den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag gegeben, der hat eine Entwicklung angestoßen. In diesem Freundschaftsvertrag steht zwar auch, dass die Regierungen sich absprechen sollen, aber es steht auch drin, dass das Deutsch-Französische Jugendwerk gegründet werden soll.
Und es haben sich jetzt etwa 10 Millionen. Jugendliche dadurch getroffen und hatten immer wieder Kontakt. Es sind die Städtepartnerschaften eingeführt worden. Es sind ganz viele Organisationen entstanden. Es gibt im Saarland eine Deutsch-Französische Universität. Das zeigt, wie wichtig es ist, dass die Völker auch kulturell zusammenwachsen. Ja, wir können beklagen, dass immer weniger Französisch lernen, dass immer weniger Deutsch lernen, aber grundsätzlich gibt es auch in der Politik positive Entwicklungen.

Haben Sie ein Beispiel?

Die Bundesregierung und die französische Regierung haben Dinge beschlossen, die lange umstritten waren: gemeinsam ein Luftverteidigungssystem und einen Panzer zu bauen. Das ist ein unglaublicher Fortschritt. Bisher haben sich die deutsche und die französische Industrie bei solchen Dingen immer gestritten. Jetzt ist von den Verteidigungsministern ein sehr guter Modus gefunden worden, indem man nicht sagt, wir schauen, was die Industrie uns anbieten kann, sondern wir sagen der Industrie, was sie bitte für uns herstellen soll. Das heißt, der Auftraggeber ist ganz klar, und dadurch werden auch die Industrien zusammengeführt werden.

Zum Abschluss: Was wünschen Sie dem Grundgesetz zu seinem 75. Jubiläum?

Ich wünsche ihm zwei Dinge. Erstens: Ich finde es wichtig, dass Kinderrechte auch richtig in das Grundgesetz eingetragen werden. Und das Zweite, dass es auf ewig hält.

VON KIRSTEN AMMERMÜLLER

Samstag, 18. Mai 2024, Hessische Allgemeine (Kassel-Mitte) / Sonntagszeit

Ein Glücksfall für Deutschland

Vor 75 Jahren wurde das Grundgesetz verabschiedet

München - Wir sind gewohnt, über die Abgründe der jüngeren deutschen Geschichte zu sprechen. Die zwölf Hitler-Jahre in ihrer Mordlust und ihrem Kriegsschrecken bleiben zu Recht immer präsent. Die jüngste deutsche Geschichte aber kennt auch einzigartige Höhepunkte. Ein solcher Höhepunkt war es, als am 23. Mai 1949 das Grundgesetz verabschiedet wurde. Ohne Übertreibung kann man sagen, dass diesem Land damit aus der absoluten Katastrophe das größte Heil eines starken, freiheitlichen Staates erwachsen ist.

Die Väter unserer Verfassung, die Mitglieder des sogenannten Parlamentarischen Rates, hatten die Schrecken der Hitler-Diktatur erlebt. Deswegen wollten sie vor allem Vorkehrungen treffen, dass kein zweiter Absturz in Diktatur und Gewaltherrschaft stattfindet. So ist das Grundgesetz ein gelungener Gegenentwurf zur Gewaltherrschaft geworden.

Am wichtigsten war dabei, dass schon im Artikel 1 (1) die Würde des Menschen und ihre Unantastbarkeit in den Mittelpunkt gestellt wurde. Der Staat ist um der Menschen willen da - nicht umgekehrt. Das ist die grundlegende Botschaft dieser Verfassung.

Die Verfassungsgeber wollten auf dem Boden der alten deutschen Verfassungstradition bis hin zurück zu 1848 etwas Dauerhaftes schaffen. Da man aber nur für die drei Westzonen handeln konnte, wagten sie nicht, das neue Gesetz eine Verfassung zu nennen. Daher zog man sich auf die bescheidenere Formulierung „Grundgesetz“ zurück. Dieselben Persönlichkeiten aber hatten keine Bedenken, im Artikel 79 (3) die Unabänderlichkeit bestimmter Teile der Verfassung auf Dauer festzuschreiben. Dazu gehören die Grundrechte als Freiheitsrechte, darunter insbesondere der Artikel 5, der die Presse- und Meinungsfreiheit garantiert.

Von heute her gesehen ist es schwer verständlich, dass im Parlamentarischen Rat neben 73 Männern nur vier Frauen vertreten waren. Ihnen ist es zu verdanken, dass im Artikel 3 nach dem Gebot der allgemeinen Gleichheit ein zweiter Absatz eingeführt wurde, in dem es ausdrücklich heißt: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“

In 75 Jahren hat sich das Grundgesetz bewährt, auch wenn die Verfassungswirklichkeit heute in vielen Dingen eine andere geworden ist. Dass gleichwohl die Auslegung und weitere Entwicklung des Grundgesetzes dem Geiste treu geblieben ist, in dem diese freiheitliche Verfassung konzipiert wurde, verdanken wir insbesondere der wohlüberlegten, überall hochgeachteten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes. Die einzige Kritik, die man hier anbringen muss, ist, dass dieses Gericht zu sehr politische Entscheidungen zugeschoben bekommt, die zu lösen, Parlamente und Regierungen sich als zu schwach erweisen.

146 Artikel umfasst die Urform des Grundgesetzes - bis heute. Doch durch den Einschub von Unterartikeln ist die Zahl faktisch auf 202 gewachsen. Das ist eine nicht ungefährliche Entwicklung. Den Einschüben fehlt überwiegend die knappe und klare Sprache der ursprünglichen Artikel. Außerdem gibt es die Tendenz, Dinge in das Grundgesetz aufzunehmen, die dort nichts zu suchen haben, weil das im Grundgesetz verankerte freiheitliche Menschenbild sie ohnehin abdeckt.

Die Bonner Gesetzgeber wollten keinen schwachen Staat. Der langjährige Verfassungsrichter Udo di Fabio hat deswegen anlässlich dieses Jubiläums zu Recht darauf hingewiesen, dass die großen Richtungsentscheidungen wie die Westbindung, die Einführung der sozialen Marktwirtschaft oder die europäische Integration zu ihrer Zeit von einem Staat getroffen wurden, der erstaunlich selbstbewusst auftrat.

Wir sind eine repräsentative Demokratie, in der die Parteien immer mehr Macht übernommen haben. In der Verfassung kommen sie dagegen nur einmal vor mit dem bescheidenen Satz: „Die Parteien wirken an der politischen Willensbildung mit.“

Die Väter des Grundgesetzes hatten in der Weimarer Zeit mit den Volksentscheiden schlechte Erfahrungen gemacht. Dass neuerdings plötzlich Volksentscheide, jedenfalls auf lokaler Ebene und in den Ländern wieder eine Rolle spielen, würde ihnen kaum gefallen. Es widerspricht auch dem Geist des Grundgesetzes.

Ebenso wenig passt zu unserer Verfassung, dass immer größere Beschränkungen der Freiheit durch eine überbordende Bürokratie oder die Einschränkung von Freiheitsrechten, wie zum Beispiel der Vertragsfreiheit, durch immer mehr Einzelgesetze sich breit machen. Artikel 2 (1) spricht da eine ganz andere Sprache: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit.“

Das Grundgesetz hat uns eine Demokratie mit freien Wahlen garantiert. Mindestens ebenso wichtig aber ist, dass dieses neue demokratische Deutschland ein Rechtsstaat der Gewaltenteilung geworden ist. Artikel 97 (1) lautet: „Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen.“

Diese Teilung der staatlichen Gewalten in die gesetzgebende Gewalt der Parlamente, die Gewalt der Regierungen und in die richterliche Gewalt, sind schlechthin konstituierend für unsere Freiheit als Bürger. Nur in Freiheit kann eine Gesellschaft sich entwickeln und Früchte tragen. Freiheit aber ist ohne Gewaltenteilung nicht zu haben.

So ist diese freiheitlichste Verfassung, die es ja auf deutschen Boden gegeben hat, ein einziger Glücksfall für Deutschland bis heute. Dass Bayern dem Gesetz anfänglich nicht zustimmen mochte, ist nur eine zu belächelnde Arabeske der Geschichte. Dass aber dann 1990 bei der Wiedervereinigung die sogenannten neuen Bundesländer dieser Verfassung ohne irgendwelche Änderungen beitreten konnten, ist ein weiteres Zeichen der Ausgewogenheit der grundgesetzlichen Regelungen.

Wenn wir heute das Jubiläum dieser Verfassung feiern, dann wissen wir um die Gefahren, die unsere freiheitliche Ordnung von innen wie von außen bedrohen. Mehr denn je sind wir gefordert, die Botschaft der Grundrechte, unseren Rechtsstaat und die repräsentative Demokratie in den Mittelpunkt aller politischen Auseinandersetzungen zu stellen. Trotz der gefährlichen gegenwärtigen Tendenzen zum staatlichen Dirigismus, trotz aller Gefahren, die heute Deutschland wie Europa von außen bedrohen, haben wir keinen Grund, an der Zukunft der Ordnung des Grundgesetzes zu zweifeln. Freiheit war und ist immer bedroht. Wir sind aufgerufen, sie zu verteidigen, für sie zu kämpfen, anstatt in Gleichgültigkeit zu verfallen.

Quellenangabe: Hessische Allgemeine (Kassel-Mitte) vom 15.05.2024, Seite 19

 

Gewalt gegen Kinder nimmt zu

Hessische Richterinnen: In vielen Familien läuft es nicht gut

Wiesbaden/Kassel – Zunehmende Gewalt und psychische Probleme in Familien führen nach Einschätzung von hessischen Richterinnen dazu, dass immer mehr Kinderschutzverfahren die Justiz beschäftigen. „In vielen Familien läuft es nicht gut, das sehe ich als massives und wachsendes Problem“, warnt Familienrichterin Doris von Werder vom Amtsgericht Wiesbaden. Nach ihrer Beobachtung steige die Zahl verhaltensauffälliger sowie psychisch kranker Kinder und Jugendlicher.

Von Werder plädiert dafür, mehr Geld etwa in die Familien- und Jugendhilfe sowie in die Weiterbildung von Erzieherinnen und Lehrern zu investieren. „Ansonsten sehe ich wirklich schwarz.“

Die Gesamtzahl der Sorgerechtsverfahren, zu denen auch die Kinderschutzsachen und Inobhutnahmen zählen, sind am Amtsgericht Wiesbaden den Angaben zufolge 2023 im Vergleich zum Vorjahr um knapp 10 Prozent auf 694 Fälle gestiegen. 2014 waren es demnach noch 512 Fälle. Außerdem sind nach den Worten der Richterin die Unterbringungen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie deutlich gestiegen.

„Viele Eltern sind wegen eigener instabiler Persönlichkeiten und auch etwa wegen Alkohol- und Drogenproblemen nicht erziehungsgeeignet“, sagt von Werder. „Die Kinder erfahren keine stabilen Beziehungen, aber häufig Gewalt.“ Die Familienrichterin sieht auch den teils „ungezügelten Medienkonsum“ von Kindern und Jugendlichen problematisch.

Nach den Worten der Wiesbadener Jugendrichterin Claudia Dirlenbach spiegelt sich die Zunahme problematischer Familien auch in den Strafsachen wider. „In rund 90 Prozent der Jugendschöffengerichtsverfahren stammen die Angeklagten nicht aus geordneten Familienverhältnissen“, berichtet sie. „Sie haben Gewalt erlebt und tragen das weiter.“ Beim übermäßigen Konsum von Gewaltspielen am Computer verwische teils Fantasie und Realität, sagt Dirlenbach. Teils falle schon bei sehr jungen Täterinnen und Tätern jede Hemmschwelle.

„Ich habe auch den Eindruck, dass wir mehr Kinderschutzfälle haben und sie schwieriger werden“, beobachtet die Familienrichterin am Frankfurter Amtsgericht Heidi Fendler. Ganz aktuell habe sie beispielsweise zwei Verfahren auf den Tisch bekommen, in denen Kinder sogar selber darum baten, aus der Familie genommen zu werden. „In beiden Fällen hat es massive häusliche Gewalt gegeben, auch gegen die Kinder.“

Beim Amtsgericht Kassel hat sich die Zahl der neu eingegangenen Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung seit 2018 mehr als verdoppelt und stieg von 115 Fällen jährlich auf 268 Fälle (2023). Zu den möglichen Gründen äußerte sich die Justiz-Sprecherin nicht.  dpa


Quellenangabe: Hessische Allgemeine (Kassel-Mitte) vom 13.05.2024, Seite 23
 

Zupackend und feinfühlig

Die Cellistin Raphaela Gromes spielte im Ständesaal ausschließlich Werke von Frauen

Kassel – Der Ständesaal war mit mehr als 200 Zuhörerinnen und Zuhörern voll, in der großen Mehrzahl weiblich, was seinen Grund hatte: Der Club „Kassel III Elisabeth Selbert“ der Organisation „Soroptimist international“, die sich weltweit für die Verbesserung der Lebensbedingungen von Frauen einsetzt, hatte zu diesem Ereignis eingeladen, dessen Erlös dem Kasseler Verein Bengi zugutekommt.

Dieser wiederum hat sich die berufliche und gesellschaftliche Integration von Frauen mit Migrationshintergrund zum Ziel gesetzt.

Die Cellistin Raphaela Gromes war die ideale Protagonistin für das gefeierte Ereignis, hat doch letztes Jahr Sony ihre Doppel-CD „Femmes“ (Frauen) auf dem Markt gebracht, worauf Stücke von nicht weniger als 23 Frauen eingespielt sind. Einige davon trug sie mit ihrem exquisiten Klavierbegleiter und Arrangeur Julian Riem am Abend des Himmelfahrts- und Europatages vor. Außer Clara Schumann (Drei Romanzen op. 22) dürften die anderen Komponistinnennamen nur wenigen bekannt sein. Das alte Problem mit „Frauenmusik“.

Unter den ohne Einschränkung brillant, mal zupackend, mal feinfühlig gespielten Stücken waren echte Trouvaillen wie die farbenreiche A-Dur-Sonate von Emilie Mayer oder die spätromantisch-schwelgerische Ballade von Elisabeth Kuyper.

Salonpiècen von hoher Virtuosität sind „Bohémienne“ und „Tarantelle“ von Pauline Viardot Garcia und die „Trois pièces“ von Nadia Boulanger. Auch schwierigste Passagen nahm die Cellistin, als wäre es nur etwas Leichtes zum Einspielen.

Beifall gab es (fast) nach jedem Satz. Wie bei solchen Benefizkonzerten (leider) oft üblich, war der Wortanteil hoch. Nicht weniger als fünf teilweise inhaltsähnliche Grußworte (Susanne Simmler, Landeswohlfahrtsverband; Staatsminister Timon Gremmels, Abgeordnete Awet Tesfaiesus; Oberbürgermeister Sven Schoeller; Renate Matthei, Soroptimist) und ein Nachwort (Susanne Knab, Soroptimist, mit Gülsen Alkcay, Bengi) zogen die Sache etwas in die Länge. Foto: PRIVAT

Quellenangabe: Hessische Allgemeine (Kassel-Mitte) vom 11.05.2024, Seite 35
 

75 Jahre Grundgesetz

Wehrhaft, aber nicht unüberwindbar

Vor 75 Jahren beschloss der Parlamentarische Rat das Grundgesetz

Berlin - In der Ruinenlandschaft, die Hitlers Weltkrieg in Deutschland hinterlassen hatte, wirkte die Pädagogische Akademie in Bonn wie ein Ufo von einem fernen Planeten, der menschlichen Zivilisation um Zeitalter voraus. Die Akademie war von 1930 bis 1933 im nüchternen Bauhausstil errichtet und durch Zufall vom Bombenhagel verschont worden. Es hätte keinen besseren Versammlungsort für den Parlamentarischen Rat geben können, der eben hier vom 1. September 1948 bis zum Mai 1949 die Verfassung für eine neue deutsche Demokratie entwarf: das Grundgesetz. Am 8. Mai vor 75 Jahren wurde es beschlossen, am 23. Mai offiziell verkündet.

Es war der zweite Versuch der Deutschen, eine Demokratie zu begründen. Der erste war 1933 mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten gescheitert. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes wollten aus dieser Katastrophe Lehren ziehen. Eine davon war, dem Staatsoberhaupt eine wesentlich schwächere Position zu geben. In der Weimarer Republik war der Reichspräsident eine Art Ersatzkaiser gewesen, der direkt gewählt wurde und mit enormen Machtbefugnissen ausgestattet war, was in der Endphase wesentlich zur Destabilisierung der Demokratie beigetragen hatte.

Eine zweite Lehre war die Einführung des konstruktiven Misstrauensvotums: Ein Kanzler sollte nur noch dann gestürzt werden können, wenn sich das Parlament gleichzeitig auf einen neuen einigen konnte. In der Weimarer Republik war das nicht so gewesen, was den Eindruck der Lähmung verstärkt hatte.

Mit am wichtigsten: Auch auf Drängen der westlichen Besatzungsmächte wurden die Grundrechte ganz nach oben an den Anfang des Textes gesetzt. Und es wurde ein wirkmächtiges Verfassungsgericht begründet. „Es bringt das Grundgesetz zum Sprechen und wendet es auf neue Lebensumstände an“, sagt der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP).

Das und mehr sind Reaktionen auf Weimar. „Gleichwohl muss man sagen, dass die Mär, die viele Jahre in Deutschland verbreitet wurde, dass Weimar nämlich an seiner Verfassung gescheitert sei, nicht haltbar ist“, sagt Andreas Voßkuhle, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe. „Weimar fehlte es vor allem an Demokraten? Personen, die sich mit der demokratischen Verfassung identifizierten.“

Mit der Erfahrung des Nationalsozialismus noch unmittelbar vor Augen bauten die Verfasser des Grundgesetzes viele Elemente der wehrhaften Demokratie in die neue Staatsordnung ein. Dazu gehören hohe Hürden für Parteiverbote, für die Aberkennung von Grundrechten oder eine Veränderung des Grundgesetzes in essenziellen Punkten.

„Aber wir müssen auch hier feststellen, dass es keine völlige juristische Absicherung der Demokratie gibt“, so Voßkuhle. „Letztlich kommt es darauf an, inwieweit die Bürgerinnen und Bürger die demokratische Ordnung unterstützen. Zurzeit beobachten wir weltweit einen Trend zu einer elektoralen Autokratie.“Ungarn und Polen sind Beispiele für Regierungen, die einmal gewählt, die Meinungsvielfalt systematisch beschneiden, Medien auf Linie bringen und Gerichte als Kontrollinstanzen schwächen. Vor diesem Hintergrund läuft schon seit längerem eine Diskussion darüber, wie das Bundesverfassungsgericht besser vor Demokratiefeinden geschützt werden kann.


Quellenangabe: Hessische Allgemeine (Kassel-Mitte) vom 08.05.2024, Seite 21
 

Raphaela Gromes spielt Werke deutscher Komponistinnen

Eine Hommage an vergessene Komponistinnen

Ein Interview mit Rapaela Gromes, Cellistin

Raphaela Gromes hat mit gerade mal vier Jahren begonnen Cello zu spielen. Ihr Erfolgsalbum „Femmes“, mit dem sie gerade auf Tour ist, schaffte es auf Platz eins der deutschen Klassikcharts. Am Donnerstag, 9. Mai, tritt sie ab 20 Uhr im Benefizkonzert der Soroptimistinnen für Opfer von Krieg, Gewalt und Terror im Ständesaal auf. Begleitet wird Gromes am Klavier von Julian Riem. Das Duo wird im August auch auf dem Rheingau Musik Festival auftreten. Der Erlös des Kasseler Konzerts geht an den Verein Bengi, der Beratung für Frauen über berufliche, soziale und rechtliche Situationen sowie Bildungsangebote ermöglicht.

Wie sind Sie zum Cellospielen gekommen und was macht das Instrument so besonders für Sie?

Meine Eltern waren beide Cellisten und haben mich schon früh mit auf Tour genommen. Ich habe mich in den warmen Klang des Cellos verliebt, der der menschlichen Stimme so ähnlich ist und der so viel ausdrücken kann. Schmerz und Leid, aber eben auch Freude.

Das Konzert findet unter dem Motto „Mit der Kraft der Musik“ statt. Worin finden Sie Kraft?

Natürlich in der Musik, das war schon in meiner Kindheit so. Sie spendet Trost, Hoffnung und Lebenskraft. Dieses Gefühl will ich mit meiner Musik auch weitergeben. Außerdem tanke ich in der Natur, beim Spazieren oder beim Yoga Energie. Ich bin ständig unterwegs und schaffe mir Oasen, in denen ich zur Ruhe kommen kann.

Auf was kann sich das Publikum beim Benefizkonzert freuen?

Wir werden ausschließlich Werke von Komponistinnen spielen. Viele von ihnen sind zu Unrecht selten gehört. Dabei sind sie so vielseitig. Emilie Mayer wurde ihrerzeit der weibliche Beethoven genannt, das größte Kompliment, das es geben konnte. Doch nach ihrem Tod ist sie schnell in Vergessenheit geraten. Mit einem kurzen aber spannenden Stück, das Dorothea Hofmann für mich und Julian geschrieben hat, nehmen wir das Publikum mit auf eine kleine Reise zu einem brasilianischen Waldkobold. Ich hoffe, dass die Zuhörer neugierig sind und ich sie von diesen fantastischen Komponistinnen überzeugen kann. Sie müssen gehört werden. cek Foto: wildundleise

Tickets: 30 Euro, Kassel Marketing, Stadtbibliothek Kassel, Kulturpunkt und Buchhandlung Brencher. Infos unter si-sisters-elisabeth-selbert.de

Quelle: HNA 07.05.24

Femizide - Ausmaß, Form und Sanktionierung

Interview mit Dr. Julia Habermann

Vortragsveranstaltung am 18. April 2024

2023

„Es fehlt die emanzipatorische Kraft“

INTERVIEW - mit der Juristin Seyran Ates über Frauenrechte und Religionen

Kassel – „Frauen aus vier Religionsgemeinschaften im Gespräch“ lautet eine Diskussionsrunde, zu der der Club Soroptimist international für den heutigen Mittwoch ab 18 Uhr in das Haus der Kirche einlädt. Neben Beatrix Ahr, Pastoralreferentin der Katholischen Kirche in Kassel, der Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Beate Hofmann, und der Rabbinerin Ulrike Offenberg, Hameln, ist auch die Berliner Rechtsanwältin und Imamin Seyran Ates eingeladen. Mit ihr sprachen wir vorab.

Frau Ates, wie haben sich Religionsgemeinschaften aus Frauenperspektive verändert? Das ist eine zentrale Frage der Veranstaltung in Kassel. Hat sich etwas für Frauen im Islam verändert?

Allgemein hat sich viel für Frauen in den Religionsgemeinschaften verändert. Auch im Islam. Sonst wäre es doch nicht möglich gewesen, dass eine Frau eine Moschee eröffnet. Es gibt Frauen weltweit, die unterrichten, die Bücher schreiben – auch im Islam.

Reicht das oder muss es weitergehen?

Ja, es wird weitergehen. Freiheit bricht sich durch jede Mauer. Klar müssen wir auch mit Rückschritten rechnen. Das war schon immer so: fünf Schritte vor und drei zurück. Es gibt keinen fortschrittlichen Flow, der nicht irgendwann aufgehalten wurde. Diese Zickzack-Bewegung kennt jede Menschenrechtsbewegung.
Flashbacks können frustrieren, wenn man sich sagen muss: Wir waren doch schon mal weiter. Aber so wird auch eine Haltbarkeit getestet.

Leider wird es immer Menschen geben, die sich am Rand der Gesellschaft formieren, um zuzuschlagen, um Erreichtes wieder zu zerstören. Da müssen wir uns fragen: Wieso haben wir diese zerstörerischen Strukturen zugelassen? Da sollten wir wachsam sein.

An wen richtet sich Ihr Appell?

Vor allem an die jüngere Generation, die manchmal keinen Respekt vor dem hat, was vor ihnen für sie erkämpft wurde. Sie profitieren von dem Erreichten aber ignorieren, was um sie herum passiert, wie Frauenrechte in Gefahr sind.

Es ist doch noch nicht lange her, da konnten Frauen in Deutschland nicht mal ein Bankkonto eröffnen, ohne die Erlaubnis ihres Mannes. In vielen muslimischen Communities ist das heute noch so.

Mir tun die Mädchen leid, für die es eine Selbstverständlichkeit ist, auf bestimmten U-Bahn-Linien in Berlin sogenannte „U-Bahn-Shirts“ über ihre Kleidung zu ziehen, damit sie nicht – vor allem von muslimischen Jungen – belästigt und beleidigt werden. Es gehört zur Wahrheit dazu, dass wir in Sachen Frauenfeindlichkeit aktuell ein zugewandertes Problem haben.
In unserer Blase bekommen wir das vielleicht nicht mit, ist alles in Ordnung, aber auf den Straßen sieht es anders aus. Und dann kommt das Erschrecken darüber, dass man naiv dachte, das sei multikulti.

Sie sagen: Die Zukunft und der Frieden zwischen den Religionen Judentum, Christentum und Islam sei unumgänglich für eine bessere und friedlichere Welt. Hierbei seien die Gleichberechtigung der Geschlechter sowie LGBTIQ+-Rechte Schlüsselthemen. Wie ist das zu verstehen?

Daran wird sich festmachen, ob wir miteinander friedlich leben können. Nur wer die Freiheit des anderen – auch die Religionsfreiheit – akzeptiert und respektiert, ist fähig, Demokratie mitzutragen.

Das geht nicht ohne die Gleichberechtigung der Geschlechter. Da haben wir schon viel erreicht, und das sollte unsere Messlatte sein. Jedes Land, wo diese Gleichberechtigung gesetzlich verankert ist, dürfen wir Demokratie nennen.

Die Veranstaltung hat den Titel: Zwischen patriarchalischer Platzanweisung und emanzipatorischer Kraft. Welche Rolle spielen patriarchalische Strukturen in der Gesellschaft?

Ich denke, dass wir trotz feministischer Fortschritte nach wie vor in einer patriarchalen Gesellschaft leben. Vor allem was die Berufstätigkeit angeht. Da ziehen Männer nach wie vor eine gläserne Mauer gegenüber Frauen, wenn die Karriere machen wollen. Das geschieht nicht mehr so plump und offen frauenfeindlich, wie ich es selber noch als Frau im Jura-Studium erlebt habe.

Wie zeigt sich das?

Ich glaube zum Beispiel, dass der Trend zur viel zitierten Work-Life-Balance bei vielen Frauen nur ein Synonym für patriarchale Strukturen ist. Früher hat man gesagt: Ich bin gern Hausfrau.

Heute fehlt die emanzipatorische Kraft, weil sich junge Frauen vermeintlich nicht benachteiligt fühlen. Solange bis sie sich um Führungspositionen bemühen oder danach fragen, wer für die Kinderbetreuung zuständig ist.

Als Anwältin vertrete ich heute auch Frauen, die jahrelang alles gemacht haben, um die Karriere ihres Mannes zu fördern und so finanziell abhängig wurden. Wenn der Mann sie dann für eine Jüngere verlässt, heißt es: Ich hätte nie gedacht, dass mir das passiert. Auf die wirtschaftliche Abhängigkeit haben sie sich aber sehenden Auges eingelassen. Ich bin manchmal am Ende mit meinem Verständnis für solche Frauen.

Warum sind Religionsgemeinschaften im Vergleich zu anderen Bereichen, wo sich schon einiges bewegt hat, so immun gegen weibliche Emanzipation?

Sie sind besonders patriarchal, weil die alten Schriften von Männern verfasst wurden und fast nur von starken Männerrollen berichten. Es heißt: Gott will das so. Und Gott ist ein Mann. Wenn du ein gläubiger Mensch bist – was willst du dagegen machen?

Im Islam ist das anders. Allah wird, anders als der christliche Gottvater, nicht explizit als männlich bezeichnet. Aber die Worte des Propheten, der weder lesen noch schreiben konnte, wurden 200 Jahre später von Männern nach deren Weltbild niedergeschrieben.

Sie sind Gründerin der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin, und Sie wirken in dieser Reform-Gemeinde als Imamin. Was war für Sie der Beweggrund?

Ich bin gläubige Muslimin, aber es gab keine Moschee, in der ich meinen Glauben frei und selbstbestimmt praktizieren konnte. Mir geht es um die Begegnung aller Gläubigen mit Gott. Durch die vorherrschende Geschlechtertrennung fühle ich mich als Frau – noch dazu als nicht Kopftuch tragende Frau – diskriminiert.

Meine Spiritualität kann sich nicht entfalten, wenn ich mit meinen Geschlechtsgenossinnen in einen separaten, lieblosen Raum verbannt werde. Traditionelle Imame stellen oft nicht die Liebe zu Gott und den Menschen in den Vordergrund, sondern betonen das Trennende: zwischen den Geschlechtern, den einzelnen Strömungen des Islam, zwischen uns Muslimen und den anderen, den vermeintlichen Ungläubigen. Unsere Moschee soll eine Heimat nicht nur, aber vor allem für Frauen und Männer sein, die sich in traditionellen Moscheen nicht wohlfühlen und die sich nicht vorschreiben lassen wollen, wie sie ihre Religion zu leben haben.

Auf welche Schwierigkeiten stoßen Sie?

Auf Gewalt. Uns wird von manchen Muslimen Gewalt angedroht, weil sie sich an uns stören. Der IS interessiert sich für uns.

Wie beurteilen Sie die Situation nach dem bestialischen Überfall, der Ermordung und Entführung von insgesamt über tausend Israelis durch die Hamas?

Islamistische Attentate schaden vor allem dem Islam selbst. Sie missbrauchen unsere Religion. Wir müssen unsere Religion vor diesen radikalen Fanatikern retten. Dazu gehört, dass wir modernen, liberalen Muslime uns mit noch größerer Leidenschaft bemühen sollten, dem zeitgemäßen Islam ein Gesicht zu geben.
Natürlich hat es etwas mit dem Islam zu tun, wenn Muslime aus vermeintlich religiösen Gründen Bluttaten begehen und die Welt missionieren wollen. Es trifft aber nicht zu, dass diese mörderischen Taten mit dem Glauben an die allumfassende Barmherzigkeit Allahs vereinbar sind, den die große Mehrheit der Muslime praktiziert. Daran glaube ich noch ganz fest.

Wenn wir liberalen, weltoffenen Muslime Terrorgruppen wie die Hamas, IS, Boko Haram und wie sie alle heißen, nichts entgegensetzen, wenn wir ihnen unsere Religion überlassen, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn sie immer wieder Hass und Gewalt säen.

Info: Zu der Veranstaltung „Zwischen patriarchalischer Platzanweisung und emanzipatorischer Kraft – Frauen aus vier Religionsgemeinschaften im Gespräch“ am heutigen Mittwoch, 18 Uhr, im Haus der Kirche, Wilhelmshöher Allee 330, laden die SI-Clubs Kassel – Elisabeth Selbert, Bad Wilhelmshöhe sowie Kurhessen Waldeck ein. Mitveranstalter ist das Evangelische Forum Kassel in Kooperation mit der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit sowie der Katholischen Kirche in Kassel.
Eintritt ist frei.

Quellenangabe: Hessische Allgemeine (Kassel-Mitte) vom 15.11.2023, Seite 7

Huch, es ist Herbst

Die Sterne:

Was hat die Wolfsschlucht in Kassel mit dem Walk of Fame in Hollywood gemeinsam? Wer das wissen möchte, sollte mal in der Passage an der Wolfsschlucht 27 vorbeischauen. Dort sind mittlerweile sechs Sterne auf dem Boden aufgeklebt worden, die Persönlichkeiten aus Kassel gewidmet sind. Nachdem bei der Eröffnung im Juni der „Mall of Fame“ Antonia Ringborg, Thorsten Bauer und Markus ‚Zimbl‘ Zimmer (The Bates) jeweils mit einem Stern geehrt worden waren, schmücken jetzt drei weitere Sterne die Wolfspassage. Die Politikerin und Juristin Elisabeth Selbert, die Schauspielerin Sabine Wackernagel sowie der Trickfilmregisseur und Oscar-Preisträger Thomas Stellmach sind dort verewigt worden. Hinter dem Projekt steht die Initiative Netzwerk Nordhessen, die damit engagierte Bürgerinnen und Bürger ehren möchte, die bedeutende Spuren in Nordhessen hinterlassen haben.

Quellenangabe: Hessische Allgemeine (Kassel-Mitte) vom 23.10.2023, Seite 9

Strahlende Sterne in der Kasseler Mall of Fame

Ehrung bedeutender Persönlichkeiten am 19. Oktober 2023

Ein Stern für Elisabeth Selbert

Die Kasseler Mall of Fame ist um drei weitere strahlende Sterne reicher, nachdem am 19. Oktober in einer festlichen Zeremonie Persönlichkeiten ausgezeichnet wurden, die unvergessliche „GESCHICHTE(N)“ geschrieben haben. Die Veranstaltung, organisiert vom Netzwerk Nordhessen, fand in der einzigartigen Atmosphäre der Wolfsschlucht 27 statt und zog zahlreiche Besucher*innen an.

Das diesmalige Motto „GESCHICHTE(N)“ zielte darauf ab, Menschen zu ehren, die mit ihren Leistungen und Beiträgen Spuren in Kassel und Nordhessen hinterlassen haben. Eine fünfköpfige Jury, bestehend aus prominenten Persönlichkeiten der Kasseler Kultur-, Politik- und Publizistikszene, hatte die Ehre, die Preisträger*innen auszuwählen.

Die erste Auszeichnung ging posthum an die bemerkenswerte Elisabeth Selbert und wurde von Selberts Enkeltochter dankbar entgegengenommen. Diese Ikone der Frauenbewegung, geboren 1896 in Kassel und gestorben 1986, kämpfte während der Grundgesetzgebung für die Gleichberechtigung von Männern und Frauen in kulturellen und ehrenamtlichen Bereichen. Ihr Einsatz und ihre Erfolge sind bis heute unvergessen.

Sabine Wackernagel, eine vielseitige Künstlerin im Bereich Film, Fernsehen, Theater und Kabarett, wurde ebenfalls geehrt. Ihre herausragenden Leistungen im kulturellen und ehrenamtlichen Bereich haben sie zu einer begehrten Vorleserin und einer prominenten Persönlichkeit nicht nur in der Kasseler Kunstszene gemacht.

Der dritte Stern des Abends wurde an Thomas Stellmach vergeben, einen herausragenden Trickfilmregisseur, Produzenten, Autor und Animator. Mit einem Oscar und zahlreichen anderen internationalen Auszeichnungen ist Stellmach – ein ehemaliger Absolvent der Kunsthochschule Kassel – und hat mit seinen Werken die Welt des Trickfilms maßgeblich beeinflusst.

Die Veranstaltung wurde von Anne-Kathrin Auel moderiert und dem Netzwerk Nordhessen Initiator Carsten Viernau begleitet und bot den Gästen zwischen den Laudationen Gelegenheit zur Entspannung. Die Klaviermusik in den kurzen Pausen wurde von Erfrischungsgetränken und Snacks begleitet, was zur angenehmen Atmosphäre des Abends beitrug, ebenso wie das excellente Whisky & Gin-Tasting von Reichelt´s Feinste Getränke & Geschenke.

Die Kasseler Mall of Fame beweist erneut, dass sie ein Ort ist, an dem lokale Größen und ihre Leistungen liebevoll gewürdigt werden. Diese Veranstaltung erinnert daran, wie wichtig es ist, die Menschen zu ehren, die unsere Stadt und Region geprägt haben. Weitere Informationen zur Mall of Fame und kommenden Veranstaltungen sind auf der Website des Netzwerks Nordhessen unter www.netzwerknordhessen.de erhältlich.

Quelle: Nordhessen-Rundschau 19.10.23

Brötchentüten als Botschafter

24. September 2023 - SI Nordhessen Plus: Brunch in Bad Emstal

Bad Emstal – „Gewalt kommt nicht in die Tüte.“ Dafür wollen sich sieben Clubs von Soroptimist International (SI) aus dem Raum Nord- und Mittelhessen stark machen. Sie haben sich erst in diesem Jahr zum Netzwerk „Nordhessen Plus“ zusammengeschlossen.

Die Botschaft gegen Gewalt wird mitsamt der Hilfetelefonnummer (116 016) auf insgesamt 105 000 Brötchentüten gedruckt und an Bäcker aus der Region verteilt, wie die Netzwerkmitglieder Bettina Behrendt (Präsidentin des SI-Club Fritzlar-Homberg) und Bettina Schrauf (Präsidentin des SI-Club Bad Wildungen) am Wochenende in Bad Emstal verkündeten.

Die Aktion ist geplant für November und Dezember. Beginnen soll sie am 25. November, dem „Orange Day“. Es ist der internationale Tag gegen Gewalt an Frauen. Die Planungen des Netzwerks laufen bereits auf Hochtouren. Es ist die erste öffentlichkeitswirksame Aktion, die das Netzwerk gemeinsam plant. Zum Netzwerk „SI Nordhessen Plus“ gehören bislang sieben Clubs.

Neben dem aus Fritzlar-Homberg, sind das die SI-Clubs Bad Wildungen, Kassel-Bad Wilhelmshöhe, Kassel-Kurhessen Waldeck, Kassel-Elisabeth Selbert, Korbach und aus Mittelhessen die Marburger. Deshalb haben sich die Frauen auch dafür entschieden, ihren Zusammenschluss mit „Nordhessen Plus“ zu titulieren, wie Behrendt erklärt.

Die Aktion mit den Brötchentüten haben die Frauen aus Bad Wildungen im vergangenen Jahr schon einmal angeboten. Doch in diesem Jahr versprechen sich die Mitglieder eine größere Außenwirkung. „Die Aktion hat als Netzwerk ein größeres Gewicht, wird viel eher wahrgenommen“, gibt Behrendt die Vorüberlegungen der Gruppe wieder. „Gemeinsam können wir viel mehr erreichen. Unsere Stimme ist gewaltiger“, sagt sie.

Das gelte auch für das Netzwerk. „Wenn mehrere Clubs sich vernetzen, können wir uns gegenseitig besser unterstützen und Aktionen wie den Orange Day finanziell leichter stemmen.“ Genau aus diesem Grund hätten sich die Frauen-Clubs im März zusammengetan.

Die Idee kam ihnen sogar schon vor beinahe einem Jahr, erinnert sich Behrendt. Während des Netzwerktreffens beim SI-Forum in Speyer im November 2022 wurden sie auf den Verbund „Metropolregion Rhein- Neckar“ aufmerksam. Dem gehören insgesamt zwölf Clubs an. „Wir dachten sofort, das könnte was für Nordhessen sein.“ Der Startschuss fiel im März. Seither gab es vier Treffen, an denen aus jedem Club immer zwei Frauen teilnahmen. Feste Rollen, wie etwa eine Vorsitzende und eine Schriftführerin, gibt es aber nicht, so Behrendt. Die Aufgaben rotieren stattdessen. Bei jedem Treffen hat eine andere „Club-Schwester“ den Hut auf und führt durch die Tagesordnung. Das funktioniere gut.

Es sei wichtig, dass Frauen an einem Strang zögen. Genau das Gleiche tun ja auch die Männer. „Nur mit gegenseitiger Unterstützung können wir in einer stark von Männern geprägten Welt bestehen und uns für Frauenthemen stark machen“, antwortet Behrendt auf die Frage, warum es Frauen-Clubs braucht.

Am Sonntag fand nun anlässlich der Gründung ein Brunch bei Grischäfer im Schafstall statt. Anders als die regulären Sitzungen diente es dem Kennenlernen und dem Austausch. „In den Sitzungen bleiben persönliche Gespräche oft einfach auf der Strecke.“


Quellenangabe: Hessische Allgemeine (Kassel-Mitte) vom 27.09.2023, Seite 4
 

127. Geburtstag Elisabeth Selbert

22. September 2023

Der Geburtstag: Viele Freundinnen und Freunde im Geiste waren am Freitag gekommen, nachdem der „Soroptimist International Club Kassel-Elisabeth Selbert“, allen voran seine Präsidentin, Susanne Knab, zum 127. Geburtstag der berühmten Kasseler Juristin, Politikerin und „Ikone der Gleichberechtigung“ an das Denkmal auf dem Scheidemann-Platz eingeladen hatte. Eine Menge Frauen aus Kassel standen als Pappkameradinnen dabei, und natürlich gab es Getränke und mehr. Ebenso wie viele fruchtbare Gespräche.

Soroptimistinnen setzen sich für die Verbesserung der Rechte und Lebensbedingungen von Frauen und Mädchen weltweit ein. „Wir wollen Veränderungen anstoßen, indem wir gesellschaftlichen Einfluss nehmen und ein Bewusstsein schaffen für die Situation von Frauen“, hatte Susanne Knab ein Ziel des SI-Clubs definiert.

Quellenangabe: Hessische Allgemeine (Kassel-Mitte) vom 25.09.2023, Seite 8

Anmerkung SI Club-Kassel Elisabeth Selbert: Der von der HNA versehentlich veröffentlichte Name der Präsidentin wurde hier korrekt genannt.

127. Geburtstag von Elisabeth Selbert – Soroptimistinnen laden ein

Freitag, den 22. September, 16 Uhr, auf dem Scheidemannplatz

Es sollen viele Gäste werden, die am Freitag, den 22. September, auf dem Scheidemannplatz zum 127. Geburtstag der Juristin, Frauenrechtlerin und Politikerin Dr. Elisabeth Selbert bei einem öffentlichen Treffen die Jubilarin feiern und sich an ein außergewöhnliches Leben erinnern. Alle Interessierten sind herzlich zu dieser Feier um 16.00 Uhr eingeladen, um gemeinsam auf den Geburtstag anzustoßen.

Elisabeth Selbert ist die Frau, der die rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung von Frauen in der Bundesrepublik Deutschland zu verdanken ist. Zum 125. Geburtstag im Jahr 2021 hatte der Club „Soroptimist International Kassel Elisabeth Selbert“ eine lebensgroße Statue initiiert und finanziert, mit der Elisabeth Selbert in der Nähe ihres ehemaligen Büros im Stadtbild präsent bleibt. Zum diesjährigen Geburtstag soll wie im vergangenen Jahr dort wieder ein öffentliches Treffen stattfinden. Dabei sind auch wieder viele Figuren aus Pappe, die an weitere interessante Frauen erinnern und als stumme Gäste die Feier begleiten.

Elisabeth Selbert – Anwältin für die Gleichberechtigung von Frauen

Was heute als selbstverständlich gilt, musste 1948 im Parlamentarischen Rat hart erkämpft werden. Elisabeth Selbert, die in Kassel lebte und als Anwältin tätig war, gilt als eine der „Mütter des Grundgesetztes“. Vor allem ihrem hartnäckigen Ringen ist der Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ in Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes zu verdanken. Das hatte in den folgenden Jahren Auswirkungen auf die juristische und gesellschaftliche Reformierung tradierter Rollenbilder, wenn es auch ein zäher und langer Prozess war. Erst mit dem Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts wurde zum Beispiel 1977 schließlich die vorgeschriebene Aufgabenteilung in der Ehe abgeschafft. Aber dennoch ist nicht alles erreicht. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier betonte 2021 auf dem Festakt zum 125. Geburtstag von Elisabeth Selbert in Kassel: „Viel ist erreicht auf dem Weg zur Gleichstellung der Geschlechter. Aber viel bleibt zu tun.“

Hintergrund zu Soroptimist International

Soroptimist Internation (SI) ist eine der weltweit größten Netzwerke berufstätiger Frauen mit gesellschaftspolitischem Engagement. SI ist parteipolitisch und konfessionell neutral. Soroptimistinnen befassen sich mit Fragen der rechtlichen, sozialen und beruflichen Stellung der Frau und vertreten die Position der Frauen in der öffentlichen Diskussion. Sie setzen sich für die Lebensbedingungen, Bildung und Ausbildung für Mädchen und Frauen ein und gegen Gewalt an Frauen und Mädchen. Sie agieren lokal, regional und global. SI hat weltweit in 132 Ländern rund 80 000 Mitglieder. Als Nichtregierungsorganisation (NGO) besitzt SI Konsultativstatus bei den Vereinten Nationen (UNO). Soroptimist International Deutschland (SID) besteht derzeit aus 222 Clubs mit über 6.700 Mitgliedern.

Weitere Informationen: www.clubkassel-elisabeth-selbert.soroptimist.de

Quelle: https://mittendrin-kassel.de/127-geburtstag-von-elisabeth-selbert/

Die Mütter des Grundgesetzes

Um die Gleichstellung von Mann und Frau wurde vor 75 Jahren gerungen

Bonn - Die ausgestopften Tiere waren dezent verhängt oder beiseite geräumt, aber dennoch muss der Ort etwas Exotisches gehabt haben: Im Naturkundlichen Museum Koenig in Bonn fand vor 75 Jahren, am 1. September 1948, die feierliche Eröffnung des Parlamentarischen Rats statt - jenes Gremiums, das ein Grundgesetz für einen neuen westdeutschen Staat ausarbeiten sollte.

Das Museum war schlicht deshalb ausgewählt worden, weil es als eines von wenigen Gebäuden im Krieg unbeschädigt geblieben war. Schauplatz der eigentlichen Beratungen war dann die 500 Meter entfernte Pädagogische Akademie. Im Nachhinein kann die innovative Architektur dieses Gebäudes im nüchternen Bauhaus-Stil geradezu als Sinnbild des Grundgesetzes gelten.

Der heute 90 Jahre alte Gerhart Baum (FDP) war zum damaligen Zeitpunkt knapp 16 und besuchte in Bayern das Gymnasium Tegernsee. „Uns war nicht präsent, dass da in Bonn etwas ganz Neues geschaffen wurde“, erinnert sich der spätere Bundesinnenminister. „Die Bevölkerung nahm an der Entstehung des Grundgesetzes eigentlich keinen Anteil.“ Man hatte anderes zu tun, war mit dem täglichen Überleben beschäftigt.

„Dazu kam aber auch das allgemeine Umfeld, das noch gar nicht so demokratiefreundlich war“, erzählt Baum. „Wir hatten Lehrer, die überhaupt noch nicht wahrgenommen hatten, dass wir jetzt in einer Demokratie lebten.

Die Westalliierten hatten dem Parlamentarischen Rat vorgegeben, dass er eine demokratische Verfassung mit stark föderaler Struktur erarbeiten sollte, denn als Lehre aus dem Ende der Weimarer Republik sollte die Macht möglichst breit auf Bund und Länder verteilt werden.

Die Vertreter der schon existierenden Landtage wiederum hatten gegenüber den Besatzungsmächten durchgesetzt, dass der Parlamentarische Rat keine Verfassung formulieren sollte, sondern nur ein vorläufiges „Grundgesetz“: Der noch zu gründende westdeutsche Staat sollte in ihren Augen lediglich ein kurzlebiges Provisorium bis zur Wiedervereinigung mit der Ostzone sein.

Die 65 stimmberechtigten Mitglieder des Parlamentarischen Rats, die aus den Landtagen entsandt worden waren, gehörten unterschiedlichen Parteien an und waren teils Verfolgte des Naziregimes, teils Mitläufer. Wirkliche NS-Belastete gab es kaum. „Entscheidend ist, dass man sich über alle Parteigrenzen und Vorprägungen der Weimarer Zeit hinweg einigen konnte“, hebt Baum hervor. „Die politischen Lager fanden zusammen.“

Dieser Geist spiegelt sich auch in den intimen Bildern der Düsseldorfer Fotografin Erna Wagner-Hehmke, die die Beratungen begleitete. Ihre atmosphärischen Aufnahmen - die derzeit im Haus der Geschichte in Bonn ausgestellt sind - zeigen die Ratsmitglieder oft in kleinen informellen Gruppen, rauchend und diskutierend im Gang stehend oder bei einem Kaffee unter Bäumen sitzend.

„Das Besondere am Grundgesetz ist, dass hier erstmals eine deutsche Verfassung auf dem Prinzip der Menschenwürde aufgebaut wurde“, sagt Baum, der bis heute als Rechtsanwalt arbeitet. „Im Gegensatz zur Weimarer Verfassung bindet das Grundgesetz die gesamte Staatsgewalt an die Grundrechte.“

Einige der wichtigsten Grundrechte haben zudem Ewigkeitscharakter - das heißt, ihre Einschränkung ist auch durch Parlamentsbeschluss nicht möglich. „Dass man dazu gekommen ist, dazu bedurfte es des tiefen moralischen Absturzes durch die Nazi-Barbarei.“

Im Detail wurde allerdings heftig gestritten. So mussten die nur vier weiblichen Mitglieder des Rats lange für den Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ kämpfen. Die „Väter des Grundgesetzes“ wollten eine so eindeutige Formulierung ursprünglich verhindern.

So erklärte Theodor Heuss (FDP), der spätere erste Bundespräsident, es reiche, wenn die Frauen die gleichen staatsbürgerlichen Rechte bekämen. In der Familie aber sollte der Mann weiterhin in allen Angelegenheiten das letzte Wort haben.

Die vier „Mütter“ des Grundgesetzes, angeführt von der resoluten SPD-Politikerin Elisabeth Selbert (1896-1986), gaben sich damit aber nicht zufrieden. Sie forderten, dass alle Rechtsgebiete, auch das Familienrecht, nach dem Prinzip der Gleichberechtigung reformiert werden müssten.

Auf Initiative Elisabeths Selberts wurde der Parlamentarische Rat geradezu mit Briefen wütender Frauen überschüttet. Selbert wandte sich sogar direkt an die Ehefrauen aller CDU-Ratsmitglieder, damit diese ebenfalls Druck machen sollten. Mit Erfolg: Der Widerstand der Männer brach schließlich zusammen.

Quellenangabe: Hessische Allgemeine (Kassel-Mitte) vom 01.09.2023, Seite 21

Benefizkonzert "Mit der Kraft der Musik für die Opfer von Krieg, Terror und Gewalt"

Spendenübergabe Frauentreff Brückehof

Geldsegen ermöglicht Auszeit in Fulda

Kassel – Frauen eine Stimme geben, Frauen stärken – das hat sich der SI-Club Kassel-Elisabeth Selbert seit seiner Gründung im Jahr 2020 auf die Fahne geschrieben. Und so unterstützt der Kasseler Serviceclub der international agierenden Non-Profit-Organisation Soroptimist International (SI) wieder ein Projekt für Frauen in Kassel und spendet den Erlös seines diesjährigen Benefiz-Konzerts von 4001 Euro an den Frauentreff Brückenhof.

Das Geld fließt in das „Projekt für Frauen über 45“ – ein Angebot für Frauen, die ihr Heimatland verlassen haben und neue Perspektiven suchen. Es ist ein Ort der Begegnung und des Austauschs, der Sprachförderung, der kulturellen und politischen Bildung, an dem sich regelmäßig 15 Frauen aus sieben Nationen treffen.

„Die Geschichte jeder Frau ist einzigartig“, sagt Julia Herrspiegel vom Frauentreff Brückenhof. Sie eine jedoch, dass ihre Kinder aus dem Haus seien und sie ihre Rolle im neuen Lebensabschnitt erst finden müssten. Das Angebot unterstütze sie, aus der oft jahrelangen Isolierung rauszukommen und ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Wunsch der Gruppe sei eine gemeinsame Auszeit. Mit der Spende des SI-Clubs geht dieser in Erfüllung. Anfang August reisen die Frauen für drei Tage nach Fulda, übernachten in der Jugendherberge mit Vollpension, sodass keine kochen muss, besichtigen die Altstadt samt Dom und besuchen die Landesgartenschau.

Der SI-Club organisiert alljährlich ein Benefizkonzert unter dem Titel „Mit der Kraft der Musik gegen Krieg, Terror und Gewalt, für die Opfer“. Mit dem Erlös, so Renate Matthei, würden lokale Projekte unterstützt, weil der Club dort etwas verändern wolle, wo seine Mitglieder zuhause seien – mit dem Ziel: „Die Lebenssituation von Mädchen und Frauen zu verbessern.“ Das diesjährige Konzert mit dem Holzbläserquintett des Jugendsinfonieorchesters Hessen fand am 9. Mai im Bürgersaal des Kasseler Rathauses statt. Traditionell werden nur Werke von Komponistinnen gespielt. pke


Quellenangabe: Hessische Allgemeine (Kassel-Mitte) vom 20.07.2023, Seite 11
 

Benezfizkonzert: SI-Sisters luden in den Bürgersaal ein

SI-Club Kassel Elisabeth Selbert spendet an Kasseler Synagoge

Die Bauarbeiten für mehr Sicherheit in der Kasseler Synagoge haben überraschend einen Sensationsfund zutage gefördert.

Er gibt viele Fragen und Rätsel auf.

Beim notwendigen Um- und Ausräumen einiger Räume wurde in einem ungenutzten Wandschrank eines Schulraums ein unbekanntes Konvolut an unterschiedlichen Akten und Papieren, jüdische Menschen aus Nordhessen betreffend, gefunden.

Es handelt sich um zwei Dutzend Ordner mit Unterlagen, Original-Dokumenten von privaten und städtischen Institutionen aus den Jahren des Nationalsozialismus, Deportations- und Evakuierungslisten sowie Fragebögen, auf denen Juden Angaben etwa über ihren Besitz machen mussten.

Die Beschriftung der gefundenen Ordner weist zudem auf Finanzamtsunterlagen hin. Ein Teil der Papiere sind Originale, einige sind Fotokopien.

Damit nicht genug. Darüber hinaus wurden umfangreiche historische Dokumente gefunden wie Grundbuch- und standesamtliche Eintragungen, Akten aus Behörden und Katasterämtern aus dem 19. Jahrhundert aus den Ortschaften Frankenberg und Vöhl. Dort hatte es vor dem Holocaust große jüdische Gemeinden und Synagogen gegeben.

Zu dem rätselhaften Fund, zu dem auch ausgeschnittene Zeitungsartikel aus den frühen 1930er-Jahren zählen, gehört außerdem eine original pergamentene Bibelrolle, das Buch Esther.

„Keiner wusste von den Papieren, und wir können nicht sagen, wann, wie und warum sie in die Kasseler Synagoge gelangt sind“, sagt Esther Haß vom Vorstand der Kasseler Jüdischen Gemeinde.

Eine wissenschaftliche Betrachtung soll nun für mehr Klarheit sorgen. Mit einer Spende des Kasseler Clubs Soroptimist International Elisabeth Selbert in Höhe von 2500 Euro sollen die Akten jetzt gesichert und ihre Erforschung angeschoben werden. Dazu wurde ein Teil des Konvoluts bereits ins Sara-Nussbaum-Zentrum für jüdisches Leben gebracht.

„Als Erstes werden wir alles digitalisieren“, sagt Elena Padva, Geschäftsführerin im Sara-Nussbaum-Zentrum: „Dann sehen wir weiter. Es ist auf jeden Fall sehr bewegend, Original-Papiere in der Hand zu halten, auf denen Sara Nussbaum handschriftliche Angaben gemacht hat.“

Die Präsidentin des Kasseler SI-Clubs Elisabeth Selbert, die Verlegerin Renate Matthei, sagt: „Dieser sensationelle Fund muss nun sorgfältig aufgearbeitet und erforscht werden, um ihn für die Nachwelt zu erhalten und schließlich die Auseinandersetzung mit der Stadtgeschichte zu ermöglichen.“

Quellenangabe: Hessische Allgemeine (Kassel-Mitte) vom 13.01.2023

Aus Fremden werden Freunde "Welcome"

SI-Club Kassel Elisabeth Selbert übergibt 2.500 € an Sozialen Friedensdienst

Anlässlich eines Kinderkonzerts mit Kindern aus der Ukraine und Kassel in der Heidewegschule übergibt der SI Club Kassel Elisabeth Selbert einen Teil der Spenden vom alljährlichen Benefizkonzert am 9. Mai an das Projekt "Welcome" des Sozialen Friedensdienstes Kassel.

126. Geburtstag von Elisabeth Selbert

22. September 2022 bei Elisabeth auf dem Scheidemannplatz

Der 126. Geburtstag: Mit Festakten und der Einweihung einer veritablen Statue ist vergangenes Jahr der 125. Geburtstag von Elisabeth Selbert begangen worden. Der Kasseler Juristin ist unter anderem der Grundgesetz-Artikel „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ zu verdanken. Sogar der Bundespräsident war nach Kassel gekommen, um Selbert zu ehren.

Damit der Kontrast zum üppigen Fest in diesem Jahr nicht zu stark ist, hat sich Verlegerin Renate Matthei und der Verein „Soroptimist International Kassel-Elisabeth Selbert“ für den unrunden 126. Geburtstag etwas Originelles einfallen lassen, nämlich einen öffentlichen Kaffeeklatsch auf dem Scheidemannplatz, an der Statue und vor der ehemaligen Kanzlei Selberts. „Meine Großmutter hat an ihrem Geburtstag immer zum Kaffeetrinken eingeladen“, sagte Susanne Selbert. Nicht nur menschliche Gäste waren gestern versammelt, sondern auch lebensgroße Aufsteller in Vertretung von Dutzenden „vielfältig aktiven Kasselerinnen“. Die die Soroptimistinnen anfertigen lassen, damit sie sich als stumme Gäste um die Selbert-Statue scharen konnten, während die Menschen Kuchen genossen. Im nächsten Jahr, so Matthei, sollen es 127 Pappkameradinnen sein, die sich um Selbert versammeln.

Quellenangabe: Hessische Allgemeine (Kassel-Mitte) vom 23.09.2022

Fotos: privat (GS)

... über ein Denkmal hinter einer Absperrung ...

Die Selbert-Statue: Erst vor drei Monaten hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Statue von Elisabeth Selbert eingeweiht. Mittlerweile sieht das Denkmal, das an die Kasseler Mutter des Grundgesetzes erinnert, etwas anders aus. Witzbolde haben der Skulptur auf dem Scheidemannplatz eine Corona-Maske aufgezogen. Zudem ist Selbert nun von einem rot-weißen Absperrzaun umgeben. Manche meinen, das alles sei ein Symbol für den Zustand des Landes, das im Kampf gegen die Pandemie und den Klimawandel ja auch noch etwas unfertig ist. In Wirklichkeit ist es ganz anders. Kurz vor Weihnachten ging im Rathaus der Hinweis ein, dass die Statue wackele, wie eine Sprecherin auf Anfrage mitteilt. Damit Elisabeth Selbert nicht umkippt, sicherten Mitarbeiter des Bauhofs die Statue ab. Die Befestigung des Denkmals werde kurzfristig von einer Firma überprüft. Bald könnte es also heißen: Freiheit für Elisabeth Selbert.

Quellenangabe: Hessische Allgemeine (Kassel-Mitte) vom 29.12.2021, Seite 12

Im Partnerlook mit der Statue

Der Schal: „Die Frau Doktor soll auch nicht frieren“, hat sich Hans-Ludwig Sinning gedacht, als er jetzt über den Ständeplatz lief und an der Statue von Elisabeth Selbert vorbeikam. Die berühmte Kasselerin war einst seine Chefin, als er als junger Jurist in der Anwalts- und Notarskanzlei Selberts im Haus, wo heute die Handwerkskammer residiert, tätig war. Flugs hat er der Dame in Bronze einen schönen roten Schal – entsprechend ihrer sozialdemokratischen Gesinnung – umgebunden und sich mit ihr im Partnerlook ablichten lassen. Dazu schreibt er uns: „Ein Jahr voller Probleme nähert sich dem Ende. Wie froh kann man sein, sich an einige wenige schöne Momente erinnern zu dürfen. So an die Denkmalsetzung von Frau Dr. Elisabeth Selbert.“

Quellenangabe: Hessische Allgemeine (Kassel-Mitte) vom 28.12.2021, Seite 12

Statuen in Kassel

Elisabeth Selbert neben vielen Männern

Das jüngste Denkmal im Kasseler Stadtbild wurde zu Ehren von Elisabeth Selbert (unser Foto) am Scheidemannplatz aufgestellt. Da stellt sich die Frage, wer ansonsten als denkmalwürdig angesehen wurde. Die Kasseler Juristin, die sich für die Gleichberechtigung von Mann und Frau und den entsprechenden Paragrafen im Grundgesetz eingesetzt hat, hätte es wahrscheinlich geahnt. Es sind weitgehend Männer. Von den Landgrafen bis zu den Brüdern Grimm gibt es eine Reihe von Statuen, die zum Großteil in der Innenstadt stehen. Eine Ausnahme ist die Büste der Märchenfrau Dorothea Viehmann im Märchenviertel von Niederzwehren. tos  

Für wen wurden und werden in Kassel eigentlich Statuen aufgestellt? Größtenteils für Männer, die schon länger verstorben sind. Es gibt aber auch Ausnahmen und Kuriositäten.

Kassel – Der jüngste Neuzugang ist Elisabeth Selbert. Zum Gedenken an die Kasseler Juristin, die maßgeblich daran beteiligt war, die Gleichberechtigung im Grundgesetz zu verankern, gibt es jetzt eine Statue. Wir haben uns einmal umgesehen, wo im öffentlichen Raum an Menschen erinnert wird. Um es vorweg zu nehmen: Frauen sind dabei eindeutig in der Minderheit.

Die Klassiker

Durch Bauwerke wie den Herkules und die Orangerie, durch große Grünanlagen wie den Bergpark Wilhelmshöhe und die Aue haben sie Kassel geprägt. Kein Wunder also, dass es sowohl Landgraf Karl (1654 bis 1730) als auch Landgraf Friedrich II. (1720 bis 1785) auf den Sockel eines weithin sichtbaren Denkmals geschafft haben. Eins davon steht auf dem Karlsplatz (passt ja) vor der Karlskirche (passt ebenfalls). Das andere steht auf dem Friedrichsplatz (siehe oben) nicht weit vom Fridericianum (auch sehr passend) und ist im Lauf der Jahre vom Zentrum etwas an den Rand gerückt. Diese beiden sieht man einfach so beim Spaziergang durch die Stadt. Es gibt aber auch ein Denkmal für Kurfürst Wilhelm I. (1743 bis 1821), das nicht ganz so leicht zu finden ist. Dafür muss man durch die obere Passage der Kurfürstengalerie gehen, die nach ihm benannt ist. Unter dem hohen Glasdach lächelt er huldvoll vom Sockel. Auch an Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe (1749 bis 1832) und seine Aufenthalte in Kassel wird übrigens erinnert. Seine Büste steht im Stadthallengarten.

Musik/Wissenschaft

Auf dem Opernplatz steht das Denkmal für den Stargeiger, Dirigenten und Komponisten Louis Spohr (1784 bis 1859). Der war ein Superstar im 19. Jahrhundert und 35 Jahre Hofkapellmeister in Kassel. Neben dem Italiener Niccolò Paganini zählte er zu den größten Geigern seiner Zeit.

Etwas aus der Reihe tanzt Denis Papin (1647 bis 1712). Landgraf Karl hatte ihn wie viele andere verfolgte Hugenotten nach Kassel geholt. Papin war wahrhaftig ein Hans Dampf in allen Gassen. Ein Multitalent, das nur haarscharf nicht als Erfinder der Dampfmaschine in die Geschichtsbücher einging, dafür aber unermüdlich forschte, tüftelte, experimentierte und unter anderem den ersten Dampfkochtopf erfand. Sein Denkmal steht genau da, wo es hingehört, nämlich vor dem Naturkundemuseum Ottoneum. Doch eigentlich ist es eher ein Brunnen als ein Denkmal und allein deshalb schon außergewöhnlich.

Berühmte Brüder

In der Torwache haben sie unter anderem gewohnt, nicht weit davon steht das Denkmal für Jacob (1785 bis 1863) und Wilhelm Grimm (1786 bis 1859) – natürlich auf dem Brüder-Grimm-Platz. Was die von der aktuell geplanten Umgestaltung halten, ist nicht bekannt. Dafür bieten sie eine absolut naheliegende Überleitung zu einer der wenigen Frauen, für die es in Kassel ein Denkmal gibt. Nicht als Statue, aber immerhin als Büste. Die Märchenfrau: Im Märchenviertel von Niederzwehren steht auf dem Märchenplatz die Büste der Märchenfrau Dorothea Viehmann (1755 bis 1815). Sie hat den Grimms stundenlang Geschichten erzählt. Die hatte die junge Dorothea, als sie noch Pierson hieß, auf der Knallhütte in Niederzwehren gehört, wo die Durchreisenden oft übernachteten.

Neben Dorothea Viehmann hat als zweite Frau jetzt auch Elisabeth Selbert (1896 bis 1986) ihr Denkmal. Sehr dynamisch mit der Aktentasche unter dem Arm kommt sie daher. Und hätte sicher nichts dagegen, wenn auch andere Frauen entsprechend geehrt würden.

Das Ich-Denkmal

So lange das nicht der Fall ist, kann sich jede und jeder selbst auf einem Sockel inszenieren. Dafür gibt es schräg gegenüber von den Brüdern Grimm am gleichnamigen Platz die ungewöhnliche Gelegenheit. Dort steht seit 2007 das Ich-Denkmal. Es stammt von dem mit viel Humor ausgestatteten Künstler Hans Traxler. Der hat den Sockel mit der Aufschrift „Ich“ im Zusammenhang mit einer Ausstellung in der Caricatura, der Galerie für komische Kunst, geschaffen. Einfach draufstellen und wichtig gucken – oder sich selbst auf die Schippe nehmen.

HNA 14. Oktober 2021

Jurist Hans-Ludwig Sinning erinnert sich an seine Kollegin

Kassel – „Die Frau Doktor – ich könnt’ se knuddeln.“ Einer, der sich ganz besonders über das neue Denkmal für Elisabeth Selbert auf dem Scheidemannplatz freut, ist Hans-Ludwig Sinning. Er hat keine Scheu, der lebensgroßen Bronze-Skulptur von seiner ehemaligen Kollegin, einen Arm um die Schulter zu legen. „Das sieht doch genau so aus, als sei sie geradewegs aus der Tür ihrer Kanzlei getreten, um sich forschen Schrittes auf den Weg ins Gericht zu machen“, sagt Sinning. Er befindet das Abbild von der resoluten Frau mit der Aktentasche unterm Arm, das die Bildhauerin Karin Bohrmann-Roth aus Anlass von Selberts 125. Geburtstag angefertigt hat, als „sehr gelungen“. „So war sie.“ Vor allem vor dem Hintergrund, dass Selbert im heutigen Haus der Handwerkskammer – „hier im zweiten Stock“ – ihre Kanzleiräume hatte, findet er den Standort ideal gewählt.

Der 77-jährige Notar i.R. hat eine persönliche Beziehung zur berühmten Juristin, Politikerin und Ehrenbürgerin der Stadt: In ihrer Kanzlei hatte er nach seinem Jurastudium in Marburg und dem zweiten Staatsexamen als „junger Anwalt mit frischer Zulassung“ 1976 seine berufliche Karriere begonnen. Da waren die Räume der „Sozietät Selbert – Elsensohn“ allerdings noch nicht am Scheidemannplatz, sondern an der Adresse Obere Königsstraße 7, dem Eckhaus zur Fünffensterstraße, beheimatet. Davor sei die Kanzlei in der Goethestraße und danach in der Oberen Königsstraße 12 gewesen.

Die Frau Doktor, wie Sinning Elisabeth Selbert ehrfürchtig nennt, war damals 80 Jahre und älter. „Ja, sie hat in dem Alter noch als Notarin praktiziert und war beim OLG zugelassen.“ Allerdings sei sie immer erst mittags in der Kanzlei aufgetaucht. Dorthin hatte sie häufig eine Verwandte begleitet.

„Sie war eine tolle Frau“, sagt Hans-Ludwig Sinning. Er habe viel von ihr gelernt. Beeindruckt habe ihn Selberts Doktorarbeit über „Ehezerrüttung als Scheidungsgrund“ aus dem Jahr 1930. Fast 50 Jahre bevor 1977 das Scheidungsrecht mit Blick auf die Frauen reformiert wurde. Das Engagement für Frauenrechte habe sich wie ein roter Faden durch ihr Leben gezogen. Mit dem Gleichheitsartikel im Grundgesetz sei Selbert schließlich in die Geschichte eingegangen. Sinning hat später das Notariat von Elisabeth Selbert übernommen. Ihr Name war auf dem Firmenschild bis zum Schluss, auch nach ihrem Tod, vermerkt.

Erst viel später erfuhr Sinning von seinem Vater, dass es noch eine zweite Verbindung zu Elisabeth Selbert gibt. Als Sinnings Familie in den 1940er-Jahren in Melsungen wohnte, weil sie in Kassel ausgebombt war, hießen ihre Nachbarn Selbert. Jeden Morgen sei Elisabeth Selbert mit Sinnings Vater von Melsungen aus mit dem Zug nach Kassel zur Arbeit gefahren.

HNA 30. September 2021

In bleibender Erinnerung

Kassel – Ein ereignisreiches Elisabeth-Selbert-Jubiläumsjahr liegt hinter Kassel. Anlass für eine Bilanz:

Vor 125 Jahren wurde Elisabeth Selbert geboren. Dieser Geburtstag ist in diesem Jahr bundesweit, vor allem aber in ihrer Geburtsstadt Kassel, mit einer Vielzahl von zum Teil hochkarätigen Veranstaltungen gefeiert worden. Höhepunkt war ein Festakt, zu dem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach Kassel gekommen war, eine würdigende Rede hielt und eine Selbert-Skulptur enthüllte.

Der Geburtstag der berühmten Juristin und sozialdemokratischen Politikerin, der die Deutschen nichts Geringeres als den Gleichheitsartikel im Grundgesetz zu verdanken haben, war für viele Anlass, sich mit ihr intensiver oder überhaupt erst zu beschäftigen.

„Die gehäuften Anfragen an uns – von Journalistinnen und Journalisten sowie anderen Interessierten zum Teil aus aller Welt – haben schon im Januar begonnen“, sagt Kerstin Wolff, die als Historiker im Archiv der deutschen Frauenbewegung (AddF) arbeitet. Das Archiv verwaltet den umfangreichen Nachlass Selberts. Er war der Einrichtung von der Familie übereignet worden und ist seitdem Grundlage für diverse wissenschaftliche Arbeiten.

„Es ist erfreulich zu sehen, dass die Erinnerungskultur zu Elisabeth Selbert in der Stadt Kassel bereits sehr vielfältig ist“, sagt Laura Schibbe vom AddF. „Viele Initiativen und Ideen aus der Zivilgesellschaft und der kommunalen Verwaltung sind erfolgreich umgesetzt worden“, so Schibbe. So habe ein Magistratsbeschluss vor drei Jahrzehnten das Ziel benannt, bei Straßenbenennungen Frauen den Vorrang bei der Neubenennung einzuräumen. Und so gibt es unter anderem auch die Elisabeth-Selbert-Promenade, die von der Draht- bis zur Hafenbrücke an der Fulda entlangführt und die Wallstraße kreuzt, in der sich Selberts Elternhaus befand.

Auch das Bürgerhaus in Niederzwehren trägt Selberts Namen. Eine künstlerische Installation ihr zu Ehren wurde vom AddF im Kasseler Rathaus kuratiert und umgesetzt. Zudem gibt es seit 2009 im Rathaus für Empfänge die Elisabeth-Selbert-Seitenhalle mit historischen Foto-Impressionen an den Wänden.

Im gleichen Jahr wurde im Innenhof des Bundessozialgerichts der zentrale Saalneubau nach Selbert benannt.

Eine herausragende und bleibende Erinnerung an Elisabeth Selbert haben die Kasselerinnen und Kasseler in diesem Jahr mit einer Bronzeskulptur auf dem innerstädtischen Scheidemannplatz erhalten. Dort hatte Selbert zuletzt ihre Kanzlei. Die lebensgroße Arbeit in der Gestalt Selberts hat die nordhessische Bildhauerin Karin Bohrmann-Roth im Auftrag von Soroptimist Elisabeth Selbert angefertigt.

Der jüngste von drei Kasseler Soroptimistinnen-Clubs hatte sich seit seiner Gründung vor drei Jahren vorgenommen, eine entsprechende Statue zu stiften. Dass ihre Realisierung mit den Jubiläumsfeierlichkeiten zusammengefallen ist, sei ein schönes, aber zufälliges Zusammenspiel, so die Vorsitzende Renate Matthei. Sie betont: „Die Skulptur steht nicht auf einem Sockel, sondern ist ebenerdig platziert, auf Augenhöhe mit den Menschen. Das entspricht eher dem Wesen Elisabeth Selberts als von oben herab.“

ArchivFoto: Christina Hein
Quellenangabe: Hessische Allgemeine (Kassel-Mitte) vom 29.12.2021, Seite 11

Elisabeth Selbert als Trickfilm-Heldin

Hommage: Über das Leben Elisabeth Selberts informiert ein Film von Katrin Nicklas und Frauke Striegnietz

Kassel – Ein feiner, federleichter Animationsfilm, der den Menschen, die ihn betrachten, ein Lächeln ins Gesicht zaubert und im Kontrast dazu der ernste, sachliche Inhalt, nämlich das Leben der Politikerin und Juristin Elisabeth Selbert. Wie geht das zusammen?

Offenkundig ganz ausgezeichnet. Davon konnten sich kürzlich die Gäste der Feier zum 125. Geburtstag von Kassels Ehrenbürgerin Elisabeth Selbert in der Alten Brüderkirche überzeugen.

Dort hatte das 3,5 Minuten lange Kabinettstückchen der Kasseler Trickfilmerinnen Katrin Nicklas und Frauke Striegnitz seine Premiere.

Die Idee zum Jubiläumsfilm hatte Kerstin Wolff, Historikerin im Archiv der deutschen Frauenbewegung (AddF), die das Künstlerinnen-Duo Nicklas und Striegnitz schließlich mit dem Film beauftragte und auch inhaltlich beriet. „Wir haben viel Herzblut in die Arbeit gesteckt“, sagt Katrin Nicklas rückblickend. Über die Frau, der wir den Gleichheitsartikel im Grundgesetz verdanken, habe sie sich erst einmal kundig machen müssen, gibt sie zu. Und das ging nirgendwo besser als im AddF, wo der Nachlass Selberts aufbewahrt wird. „Beim Betrachten der Fotos waren wir beeindruckt, welche Souveränität Selbert ausstrahlte. Sie verkörperte Understatement und war gleichzeitig so stark. Sie hat als Politikerin für Inhalte gekämpft,“ sagt Nicklas. „Etwas, das ich mir heute auch mehr wünschte.“

Eindrucksvoll fanden die Trickfilmerinnen, wie es Selbert gelungen war, Karriere und Familienleben unter einen Hut zu bringen. All das und noch viel mehr wollten sie in ihrem Film zum Ausdruck bringen, ihn dabei nicht überfrachten und gleichzeitig das Wirken und die Bedeutung Selberts lehrreich vermitteln. Dabei lassen sie Elisabeth Selbert in der Ich-Form selber zu Wort kommen.

Bei der Konzeption lag der Schwerpunkt Animation bei Striegnitz, der des Designs bei Nicklas. Beide Frauen kennen sich vom Studium der Visuellen Kommunikation in Kassel mit Schwerpunkt Trickfilm bei den Professoren Paul Driessen und Thomas Nay Hermann. Seitdem haben sie einige Projekte gemeinsam entwickelt. Unter anderem einen Film für die Grimmwelt zum Jubiläum der Grimmschen Handexemplare.

Zur klugen Konzeption des Selbert-Films gehören auch die vier Off-Sprecherinnen Eva-Maria Keller, Amelie Kriss-Heinrich, Alexandra Lukas und Rahel Weiss, die die Lebensphasen Selberts sowie die jeweiligen Verknüpfungen mit Inhalten zum Ausdruck bringen. Fotos: privat/nh

Der Film ist im Internet zu sehen: zu.hna.de/film2509

HNA 25. September 2021

Sie pflanzten die erste Eiche

Amerikanische Frauen gründeten vor 100 Jahren die Internationalen Soroptimistinnen

Kassel – 100 Jahre ist es her, dass amerikanische berufstätige Frauen aus Los Angeles sich zusammenschlossen, um für Gleichberechtigung ihrer Geschlechtsgenossinnen zu kämpfen. Neben Bildung hatten diese Pionierinnen bereits den Umweltschutz im Auge, ihr erstes Projekt war die erfolgreiche Rettung des Küstenmammutbaums „Redwood“ -– nachdem sie 1921 die internationale Organisation Soroptimist International (SI) gegründet hatten.

Jetzt begingen die drei Kasseler Clubs Kassel-Kurhessen Waldeck, Bad-Wilhelmshöhe und Elisabeth Selbert das 100-jährige Bestehen gemeinsam mit ihren Clubschwestern aus Göttingen. Am Gasthaus Grimmhütte hatten sie zu einer stimmungsvollen Feier in freier Natur eingeladen, den Auftakt bildete der Start eines besonderen Projekts – eine Baumpflanzaktion in Kooperation mit Hessenforst. Dafür setzten die Frauen die erste Eiche für die Aufforstung der historischen Eichenallee nördlich der Grimmhütte. So soll der einstige Reiterweg aus dem 19./20. Jahrhundert, der bis hinunter ins Ahnatal führt, wieder hergestellt werden.

„Diese kulturhistorische Pflanzung mitaufzubauen ist uns ein Herzensanliegen“, sagte Club-Vertreterin Julia Dummer. Solche Bäume seien wichtig für Artenvielfalt, die Kronen böten Lebensraum für Insekten. „Wir knüpfen mit dieser Pflanzung an die Tradition unserer Gründungsschwestern an“, hieß es weiter. Für 6000 Euro finanzieren die Clubs das Projekt.

„Heute setzen wir diese Eiche für die nächsten hundert Jahre“, eröffnete anschließend Clubvertreterin Dagmar Biel die Jubiläumsfeier im Wald. Es gehe um den Schutz des Waldes als Lebensraum. „Der Einsatz für Umwelt und Nachhaltigkeit, aber immer noch Engagement für Gleichberechtigung und Bildung für Frauen ist auch nach 100 Jahren noch aktuell“, hieß es weiter. Nach wie vor müssten Rechte und Führungspositionen erkämpft werden.

Bei einer stimmungsvollen Kerzenzeremonie verbanden sich die Gastgeberinnen in Gedanken mit ihren Club-Schwestern in der ganzen Welt, Europas, Deutschlands und aller lokalen Clubs. Die Hornbläser „Cornissimo Cassel“ des Staatstheaters Kassel sorgten anschließend für fröhliche Stimmung bei munterem Beisammensein.

HNA 7. Oktober 2021 Sabine Oschmann

Für immer sichtbar

Kassel – Ende des Tages stand die Statue von Elisabeth Selbert dort, wo sie nun für immer ihren Platz haben soll: auf dem Scheidemannplatz am Übergang zum Ständeplatz – und damit ganz in der Nähe von Selberts ehemaliger Kanzlei, die sich in der Königsstraße 42 befand. Die Skulptur der nordhessischen Bildhauerin Karin Bohrmann-Roth musste gestern aber noch einen kleinen Weg zurücklegen, um an den für sie vorgesehenen Ort zu kommen.

Das wiederum hatte mit dem Bundespräsidenten zu tun. Frank-Walter Steinmeier sollte die Statue nämlich während seines Besuchs in Kassel einweihen. Aus Sicherheitsgründen fand das Ganze aber vor dem Renthof statt – und damit an der Brüderkirche, in der Steinmeier während des Festaktes zum 125. Geburtstag von Elisabeth Selbert eine Rede hielt.

Als der Konvoi mit dem Bundespräsidenten um kurz nach 11 Uhr am Renthof vorfuhr, stand die Statue von Elisabeth Selbert also noch verhüllt am Eingang des Renthofs. Die Sonne schien, und auf dem Gehweg gegenüber hatten sich Frauen eingefunden, die auf Plakaten Elisabeth Selbert dankten. Es waren Frauen der Bewegung „Maria 2.0“, die für die Gleichberechtigung in der Kirche kämpfen, wobei sie gestern erst einmal dafür kämpfen mussten, um für ihr Anliegen kämpfen zu dürfen. Ein Polizist zweifelte die Rechtmäßigkeit ihrer kleinen Versammlung an. Er telefonierte dann hastig und überbrachte schließlich die frohe Kunde, dass er eine Eilerlaubnis für die Frauen erwirkt hätte.

Das schien ganz im Sinne des Bundespräsidenten zu sein. Als er aus seiner Limousine ausstieg, schaute er zu den Frauen und rief ein freundliches „Guten Morgen“ zu ihnen. Dann stellten er und seine Frau Elke Büdenbender sich neben die Statue von Elisabeth Selbert und vor die Fotografen und Kameraleute, die das Ereignis in Bildern festhalten wollten.

Da bei einem Besuch des Bundespräsidenten alles minutiös geplant ist, hätte es keinen verwundert, wenn auch die Sonne für diesen Augenblick vorbestellt worden wäre. Zumindest rückte sie nun die Szenerie ins beste Licht. Es passte zur Laune des Bundespräsidenten. Nachdem die ersten Fotos gemacht waren, scherzte Steinmeier: „So, das war es. Die Enthüllung ist dann nächste Woche.“ Einen Moment später entfernte er das gelbe Tuch über der Statue. Zu sehen war das Kunstwerk, das sogleich für Begeisterung sorgte. Elke Büdenbender rief „Bravo“, und Elisabeth Selberts Enkelin Susanne Selbert brachte zum Ausdruck, wie gut ihre Großmutter doch getroffen sei. Kommentar des Bundespräsidenten: „Wenn Sie das sagen, ist das eine Glaubwürdigkeit, die jede andere übersteigt.“

Auch während des Festaktes war die Skulptur Thema – in einer kleinen Gesprächsrunde, an der auch Kassels Ehrenbürgerin Eva Schulz-Jander teilnahm. Ihr Soroptimistenverein, benannt nach Elisabeth Selbert, hatte die Statue in Auftrag gegeben. Schulz-Jander sagte dazu: „Mit ihr wollen wir das Vermächtnis von Elisabeth Selbert ehren und auch größere Aufmerksamkeit auf sie richten in der Öffentlichkeit.“ Frauen seien im öffentlichen Raum schließlich kaum präsent. Dies sei nun ein Anfang. Denn: „Die Statue soll Mädchen, aber auch Jungen, Frauen und Männer ermuntern, sich einzumischen, sich politisch zu engagieren, zu kämpfen für Visionen.“ Vor allem: „Frauen müssen sichtbarer werden.“

Seit gestern Nachmittag steht die Skulptur nun auf dem Scheidemannplatz – für jedermann sichtbar.

HNA 22. September 2021

Bundespräsident Steinmeier ehrt Elisabeth Selbert

Die Enthüllung eines Denkmals für Elisabeth Selbert war gestern ein Programmpunkt für den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier und seine Ehefrau Elke Büdenbender (Foto). Sie waren nach Kassel gekommen, um an den Feierlichkeiten aus Anlass des 125. Geburtstags der Kasseler Juristin und Politikerin Selbert teilzunehmen. Ihr ist der Gleichheitsartikel im Grundgesetz zu verdanken. Vor dem Festakt, zu dem die Stadt Kassel in die Alte Brüderkirche eingeladen hatte, besichtigten Steinmeier und Büdenbender das Archiv der deutschen Frauenbewegung, wo sich der Nachlass Selberts befindet.

HNA 22. September 2021

Bald ist Selbert auch sichtbar

Kassel – Bald wird sie ihren gebührenden Platz auch im Stadtbild einnehmen: Auf dem Scheidemannplatz ist demnächst die lebensgroße Skulptur von Kassels berühmter Politikerin und Juristin Elisabeth Selbert zu sehen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird die Statue während seines Besuchs in Kassel am Dienstag, 21. September, anlässlich des 125. Geburtstag Selberts (am 22. September) feierlich einweihen.

Der Kasselerin Elisabeth Selbert ist es zu verdanken, dass im Grundgesetz der Gleichheitsartikel von Mann und Frau verankert wurde. „Grund genug, unsere Clubnamensgeberin und Ehrenbürgerin endlich auch im öffentlichen Raum Kassels sichtbar zu machen“, sagt Renate Matthei, die Vorsitzende des Vereins „SI-Sisters – Soroptimist Kassel III – Elisabeth Selbert“. Der jüngste von inzwischen drei Kasseler Soroptimistinnen-Clubs hatte sich seit seinen Gründungsplänen vor drei Jahren vorgenommen, eine entsprechende Statue zu stiften. Dass ihre Realisierung jetzt mit den Jubiläumsfeierlichkeiten zusammenfällt, sei ein schönes, aber zufälliges Zusammenspiel, so Matthei.

Die Skulptur der Elisabeth Selbert hat die nordhessische Bildhauerin Karin Bohrmann geschaffen. Das Fundament für die 200 Kilogramm schwere Bronze, die sich zurzeit noch in der Gießerei befindet, ist bereits in Arbeit. „Die Skulptur wird nicht auf einem Sockel stehen, sondern wird ebenerdig platziert, auf Augenhöhe mit den Menschen“, sagt Renate Matthei: „Das entspricht eher dem Wesen Elisabeth Selberts als von oben herab.“ Der Standort befindet sich unweit der ehemaligen Kanzlei der Juristin am Königsplatz 42. Es kann davon ausgegangen werden, dass die reale Selbert den Ort, wo ihr Standbild demnächst stehen wird, in ihrem Leben unzählige Mal passiert hat.

„Es ist uns ein ernstes Anliegen, Frauen im öffentlichen Raum sichtbar zu machen“, sagt Matthei. Es gebe noch so einige, die es in Kassel verdient hätten, im Stadtbild abgebildet zu werden. „Elisabeth Selbert muss nicht alleine bleiben.“

Unterstützung findet der Club Elisabeth Selbert dabei auch von den beiden anderen SI-Clubs. Das diesjährige SI-Netzwerktreffen zusammen mit dem Internationalen Frauenclub, eine Benefizveranstaltung im Grebensteiner Atelier Karin Bohrmanns, steht ganz im Zeichen der Selbert-Statue. Am 21. September, 16 bis 18 Uhr, soll die Skulptur auf dem Ständeplatz gefeiert werden.

HNA 8. September 2021 (Foto: Christina Hein)

Hoher Besuch im Sara-Nussbaum-Zentrum


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